Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Goldbrokat

Titel: Goldbrokat
Autoren: Andrea Schacht
Vom Netzwerk:
Maschinen in Betrieb zu nehmen und die Arbeiter in deren Bedienung zu unterweisen. Ein Wein- und Spirituosenhändler hatte seine Ware nach Hamburg ins Lagerhaus geschickt, und vielerlei andere Luxus- oder Gebrauchsgüter, die in China nicht erhältlich waren, mussten
verladen werden. Mit Kapitän Bosse hatte er etliche Vereinbarungen getroffen und ihn als einen kompetenten Mann und versierten Chinafahrer kennengelernt. Er war, was ihn besonders freute, ein Herr von geschliffenen Manieren und kein raubeiniger Seebär.
    Ariane hatte ihren kleinen Hausstand aufgelöst und war zu ihm ins Hotel gezogen, die Kinder waren noch bei Caro Elenz geblieben, die sich kaum von ihrem Schock erholen konnte. Nicht nur seine, Dragos, Rückkehr von den Toten, sondern vor allem ihr leichtgläubiges Verhalten Charnay gegenüber hatte ihr Weltbild zutiefst erschüttert. Er hielt sie zwar weiterhin für ein Spatzenhirn, aber da sie vor Jahren Ariane großmütig aufgenommen hatte, dankte er ihr. Darum hatte er dafür gesorgt, dass sie über eine kleine Rente verfügen konnte, die es ihr erlaubte, in ihrem Haus wohnen zu bleiben.
    Außerdem hatte er Arianes Eltern die Reise nach Köln bezahlt, sodass sie wenigstens noch eine Woche lang mit ihrer Tochter und ihren Enkeln zusammen sein konnten, ehe sie wahrscheinlich für Jahre getrennt sein würden.
    Von ihnen schien Ariane sich nicht allzu schweren Herzens zu trennen, inniger schon war ihr Abschied von Madame Mira, und das nicht nur, weil es sicher ein endgültiger war. Auch von den Freunden, die ihr in der schwierigen Zeit der vergangenen zwei Jahre beigestanden hatten, fiel ihr der Abschied schwer.
    Und dann war sie eines Nachmittags verschwunden.
    Er hatte sich Sorgen gemacht, obwohl Charnay inzwischen wirklich in die Irrenanstalt eingewiesen worden war und ihr nicht mehr gefährlich werden konnte. Als sie dann abends zurückkam, wirkte sie bedrückt und wortkarg. Erst als sie nebeneinander im Bett lagen, sprach sie über das, was sie getan hatte.
    »Ich war bei Gernot Wever, Drago. Ich musste es alleine tun, verstehst du das?«
    »Ich denke schon.«
    »Drago, er ist ein guter Mann, und ich hoffe, er findet bald eine Frau, die ihn wirklich lieb hat. Er hätte es verdient. Für
mich war er... nun, so etwas wie ein sicherer Hafen. Ich habe ihn sympathisch gefunden, und die Kinder fanden ihn auch ganz in Ordnung.«
    »O Gott, was für ein vernichtendes Urteil.«
    »Ja, Mittelmaß ist für unsereins wohl nicht das rechte Maß.«
    Er lachte leise über ihr treffendes Urteil.
    »Ich habe Gernot mein Musterbuch überlassen.«
    »Das sichert ihm zusammen mit der Rohseide, die ich ihm überlassen habe, für die nächsten Jahre einen ordentlichen Gewinn.«
    »Hast du ihm Seide verkauft?«
    »Als Handelsware angeboten. Dafür, dass er von der Verlobung mit dir zurücktritt.«
    Ariane war empört aufgefahren, und er lachte noch mal.
    »Du hast um mich geschachert?«
    »Aber nein, ich habe einen anständigen Preis geboten, ganz ohne zu feilschen.«
    »Oh, und hat er eingewilligt?«
    »Ich weiß es nicht, ob er es getan hätte, die Ereignisse überholten diese Frage. Nichtsdestotrotz habe ich ihm die Seide unentgeltlich überlassen.«
    Sie hatte sich wieder beruhigt und in seinen Arm geschmiegt.
    »Er ist ein genauer Kaufmann, der seine Bilanz ausgewogen hält, Drago. Und darum ist das, was er aus unser beider Gaben zieht, vielleicht ein Gewinn. Aber er hat auch ein Herz, wenn auch unter vielen Lagen Kammgarn versteckt, und darin wird er einen Verlust verbuchen.«
    »Das wird er, denn dich zu verlieren, Tigerin, fällt keinem Mann leicht.«
    »Nun, wir beide haben trotz Seide und Musterbuch dann wohl einen guten Gewinn gemacht.«
    »Na, ich weiß nicht so recht. Ich habe mir zwei Bälger eingehandelt, die mir nicht nur die Haare vom Kopf fressen, sondern auch noch Löcher in den Bauch fragen, und dazu noch ein Weib, das mir das Mark aus den Knochen saugt.«

    »Ach, Unsinn. Du hast dazu ein Kindermädchen bekommen, das dir laufend Honig ums Maul schmiert, und besitzt einen Neffen, der dir aus der Hand frisst.«
    Er freute sich über die Heiterkeit, mit der sie schließlich seinen nicht ganz sittenreinen Handel betrachtete.
    Und nun endlich stand er an Deck der Silver Moon, die sich beladen mit gewinnträchtiger Fracht bei gutem Wind ihren Weg nach China bahnte. Ein neues Leben, neue Chancen lagen vor ihm, denn diesmal hatte er die Reise ohne Lasten der Vergangenheit angetreten.
    Servatius’ letzter
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher