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Goettersterben

Titel: Goettersterben
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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aber verwirrt, doch Andrej spürte zugleich auch, wie ernst er seine Aufgabe nahm. »Wer ist dieser Kerl?«, fragte er. »Euer Sklave? Ich rede nicht mit Muselmanen. Wer seid Ihr? Was wollt Ihr hier in Cádiz?«
»Zuallererst ein Dach über dem Kopf und vielleicht eine warme Mahlzeit«, antwortete Abu Dun, bevor Andrej es tun konnte. Doch der junge Soldat sah ihn immer noch nicht an und presste die Zähne so heftig aufeinander, dass seine Lippen zu einem blutleeren, schmalen Strich wurden, der sein Gesicht wie eine schlecht verheilte Narbe teilte.
»Vergebt meinem Freund, Señor«, sagte Andrej rasch. »Ich glaube, wir waren zu lange unterwegs. Er beginnt seine guten Manieren zu vergessen.«
»Das ist keine Antwort auf die Frage, was Euch hierher führt, Señor«, erwiderte der Soldat. Andrejs Blick ließ sein Gesicht keinen Moment lang los, dennoch sah er aus den Augenwinkeln, wie sich der Halbkreis der anderen Männer um sie herum schloss. Keiner von ihnen hatte seine Waffen sinken lassen und auch die Muskete zielte nach wie vor auf ihn.
»Bitte verzeiht«, fuhr er fort. »Aber es ist so, wie mein Freund sagt. Wir haben eine lange Reise hinter uns und sind müde. Könnt Ihr uns ein Gasthaus empfehlen? Eines«, fügte er mit einem angedeutet-verlegenen Lächeln hinzu, »das nicht zu teuer ist?«
Schon bevor er die Worte ganz zu Ende ausgesprochen hatte, begriff er, dass er nicht den richtigen Ton angeschlagen hatte. Das Misstrauen aus dem Blick seines Gegenübers wich nicht, und er setzte auch zu einer Antwort an, als sich in diesem Moment zwei weitere Gestalten aus dem Schatten eines der umliegenden Häuser lösten. Die beiden Männer, der eine älter und größer als der andere, trugen beide Uniform, und auch wenn Andrej sich mit dem spanischen Militär nicht auskannte, war ihm doch sofort klar, dass sie im Rang weit über den Männern stehen mussten, mit denen sie es bisher zu tun gehabt hatten. Einer von ihnen – der ältere, dessen gewelltes weißes Haar unter einem Dreispitz hervor bis auf seine Schultern herabfiel – maß zuerst Abu Dun und dann ihn mit einem flüchtigen Blick, bevor er sich in scharfem Ton und mit einer herrischen Geste an den jungen Soldaten wendete. »Leutnant! Verratet Ihr mir, was Ihr hier tut?«
Der junge Mann mit dem Bronzehelm fuhr sichtbar erschrocken herum, und für die Dauer eines halben Atemzuges schien es Andrej, als wollte er Widerstand leisten. Dann aber traf sein Blick auf den des Weißhaarigen und da verließ ihn der Mut. »Colonel«, stammelte er. »Ich wollte nur …«
»… einem Reisenden, der nach Unterkunft und einer Mahlzeit verlangt, zeigen, wie weit es mit der spanischen Gastfreundschaft gekommen ist?«, unterbrach ihn der Colonel scharf. Er schüttelte den Kopf. »Genug! Euren Diensteifer in allen Ehren, aber diese Männer haben Euch gesagt, was ihr Anliegen ist, und damit solltet Ihr Euch zufriedengeben.« Er drehte sich dann auf dem Absatz herum und deutete eine knappe Verbeugung in Andrejs Richtung an. »Bitte verzeiht diesem übereifrigen jungen Mann, Señor«, sagte er. »Ich fürchte, er nimmt seine Aufgabe zu ernst.«
»Besser, als nicht ernst genug«, antwortete Andrej. Der Weißhaarige lächelte knapp, doch seine Augen blieben ernst, während ihr Blick aufmerksam und unverhohlen neugierig über Andrejs Gesicht tastete. »Ihr seid verletzt, Señor?«
»Das ist nichts«, antwortete Andrej vielleicht eine Spur zu hastig. »Ich war unaufmerksam. Mein Freund hat mich gewarnt, auf tief hängende Äste zu achten, wenn ich durch den Wald reite, aber ich habe nicht auf ihn gehört. Geschieht mir recht.«
»Falls Ihr einen Arzt braucht, so …«, begann der Offizier.
»Das wird nicht nötig sein«, unterbrach ihn Andrej. »Wie gesagt: Es ist nur ein Kratzer. Abu Dun hat darauf bestanden, mich zu verbinden, als hätte man mir den Schädel gespalten, dabei ist es nur eine Schramme. Kaum der Rede wert.«
Er konnte seinem Gegenüber ansehen, wie wenig ihn diese Behauptung überzeugte, und fragte sich, ob er nicht einen Fehler gemacht hatte. Was, wenn der Offizier darauf bestand, sich die Wunde, die er als einen einfachen Kratzer abgetan hatte, anzusehen?
Er tat es nicht. Nach einer weiteren, schier endlosen Sekunde zuckte der Weißhaarige nur mit den Schultern und machte dann eine Bewegung, wie um nun auch offiziell den Weg freizugeben. »Nun, das ist Eure Entscheidung. Wenn Ihr ein Gasthaus sucht, dann kann ich Euch vielleicht behilflich sein.«
»Das ist sehr
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