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Goettersterben

Titel: Goettersterben
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Tages eine Kugel und kein ehrlicher Schwertstreich in einem Kampf Mann gegen Mann töten würde. Aber erst jetzt wurde ihm klar, dass dieser Tag um Haaresbreite der heutige gewesen wäre.
»So!« Abu Dun betrachtete sein Werk kritisch, grinste dann plötzlich so breit wie ein Schuljunge, der sich über einen besonders gelungenen Scherz freut, und versetzte ihm einen Schlag mit der flachen Hand auf den Rücken, der ihn beinahe aus dem Sattel geworfen hätte. »Jetzt siehst du wieder einigermaßen ansehnlich aus. Jedenfalls wird nicht gleich jeder schreiend davonlaufen, der dich sieht.«
»Ansehnlich?« Andrej betastete missmutig sein Gesicht. Seine Fingerspitzen verrieten ihm, dass der improvisierte Verband viel mehr als sein Auge bedeckte.
»Glaub mir, Hexenmeister«, versicherte Abu Dun mit todernster Miene, »es gibt durchaus Männer, denen es zum Vorteil gereicht, wenn man nur die Hälfte ihres Gesichtes sieht. Du solltest dir überlegen, dieses Tuch ständig zu tragen.«
Andrej verzichtete vorsichtshalber auf jedwede Antwort, sondern starrte den Nubier finster an – nicht finster genug, denn Abu Duns Grinsen wurde nur noch breiter – und griff trotzig nach den Zügeln. Diesmal hielt er sein Pferd nicht zurück, sondern spornte es an, zuerst in einen raschen Trab, dann in einen langsamen Galopp zu fallen. Dennoch hätten sie es beinahe nicht rechtzeitig geschafft. Ganz wie Abu Dun erwartet hatte, begannen die Wachen die Stadttore zu schließen, als die Sonne hinter dem Horizont verschwand und aus dem Gold des letzten Tageslichtes das Grau der Dämmerung wurde. Einer der beiden riesigen Torflügel war bereits geschlossen, der andere wäre ihnen buchstäblich vor der Nase zugeschlagen worden, hätte ihn nicht ein Mann in einer blau-weißen Uniform, der einen verbeulten Bronzehelm auf dem Kopf und einen schartigen, aber tadellos sauberen Säbel am Gürtel trug, im letzten Moment zurückgehalten, um sie passieren zu lassen. Kurz darauf brachten sie ihre unwillig schnaubenden Tiere zum Stehen.
Der Mann mit dem Bronzehelm war nicht allein. Abu Dun und Andrej sahen sich plötzlich von einem knappen Dutzend Soldaten umringt, die nicht nur die unterschiedlichsten Uniformen und Rüstungen trugen, sondern auch mit einem schon beinahe lächerlich anmutenden Sammelsurium der verschiedensten Waffen auf sie zielten: Speere, Armbrüste und Bögen. Einer legte sogar eine Muskete an, die Andrej unangenehm den Schmerz in Auge und Schulter in Erinnerung rief. »Steigt ab!«, befahl der Soldat, ohne sich mit einer Begrüßung aufzuhalten. Andrej überlegte einen halben Atemzug lang, ihm genau die Antwort zukommen zu lassen, die dieser unverschämte Ton verdiente, besann sich dann darauf, ausnahmsweise einmal vernünftig zu reagieren, und ließ sich mit einer bewusst langsamen und umständlich anmutenden Bewegung aus dem Sattel gleiten, wobei er sorgsam darauf achtete, dass sein Mantel geschlossen blieb und seinem Gegenüber die gewaltige Waffe an seinem Gürtel nicht auffiel. Nicht nur Abu Dun und er selbst, auch und vielleicht sogar vor allem Gunjir erregten fast überall Aufsehen, wohin sie kamen; tatsächlich hatte ihnen das auffällige Bastardschwert schon mehr als einmal Ärger eingehandelt. Zum einen lag das an seinem Aussehen. Man sah der Waffe nicht nur ihr Alter an, sondern auch ihr Gewicht, das es selbst einem Mann von Andrejs kräftiger Statur schwerfallen musste, sie auch nur zu heben, geschweige denn, damit zu kämpfen . Aber das war es längst nicht allein. Gunjir war kein normales Schwert. Es war eine Waffe der Götter, geschmiedet in den heiligen Feuern Asgards und dazu geschaffen, Götter zu töten. Sein bloßer Anblick erfüllte die Herzen sterblicher Menschen mit einer Furcht, die sie sich nicht erklären konnten, und die vielleicht gerade deshalb nur zu oft in Aggressivität umschlug.
»Ich danke Euch, dass Ihr uns noch eingelassen habt«, begann Abu Dun, indem er rasch an Andrej vorbeitrat und so versuchte, die Aufmerksamkeit des Soldaten zu erheischen. »Wir haben auf dem Weg zu viel Zeit verloren und …«
Der Soldat mit dem Bronzehelm – Andrej sah erst jetzt, dass er fast noch ein Kind war, höchstens siebzehn oder achtzehn Jahre alt und trotzdem augenscheinlich schon der Kommandant dieser kleinen Trupp e – brachte Abu Dun mit einer herrischen Geste zum Verstummen, würdigte ihn darüber hinaus aber nicht einmal eines Blickes, sondern starrte Andrej an. Er sah ein bisschen erschrocken aus, auf jeden Fall
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