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Götterfall

Götterfall

Titel: Götterfall
Autoren: Sandra Lüpkes
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Stichwort.« Wencke zog die Handschellen hervor. Sie klickten bereits, bevor Silvie begriffen hatte, wie ihr geschah, der eine Armreif um Silvies, der andere um Wenckes Handgelenk. »Wir beide machen jetzt nämlich einen kleinen Spaziergang und treffen jemanden, bei dem du noch eine ziemlich dicke Entschuldigung loswerden musst!«
    Silvie begann zu schwitzen, sie rief nach ihrem Sekretär, der stürzte auch sofort ins Zimmer, als habe er die ganze Zeit nebenan gelauscht. Doch als Wencke ihm ihren LKA-Ausweis fachgerecht unter die Nase hielt und etwas von diskreter Verhaftungsmethode nuschelte, knickte der feine Herr ein wie ein Strohhalm im Wind. Der schien sich ja nicht besonders für seine Chefin engagieren zu wollen.
    Sobald sie das Haus verlassen hatten, gab Silvie ihren Widerstand auf und lief neben Wencke her, als würden sie sich wirklich nur ein Weilchen die Beine vertreten. Was sollten sonst die Nachbarn denken? Ihr zur Schau gestellter Gleichmut hielt jedoch nur so lang, bis sie erkannte, wer als Chauffeur in Wenckes Auto bereits auf sie wartete.
    »Los, Frankie, du kannst fahren. Bring uns bitte zu dem Ort, an dem du damals den kleinen Jan Hüffart allein gelassen hast.«
    [16. Juli, 17.39 Uhr, Langenberg, Bad Iburg, Deutschland]
    Als Frankie durch diesen Wald lief, in dem alles irgendwie anders aussah als früher, der Pfad nicht mehr derselbe und alles, woran er sich damals orientiert hatte, zugewuchert war, da wurde ihm zum ersten Mal richtig klar: Du hast damals die größte Scheiße deines Lebens gebaut. Denn selbst wenn du den Jungen nicht ermordet hast – und das war auch wirklich nie der Plan gewesen, es ging doch nur um die Wahrheit, nicht um Mord –, du hast Jan aus seinem sicheren Umfeld entführt und hierhergebracht.
    Erst dachte Frankie, das wäre mal wieder die Wut, die da so in ihm randalierte, aber das Kribbeln in den Armen blieb aus, stattdessen wühlte sein Magen. Quälte ihn etwa sein Gewissen?
    Silvie Hüffart schimpfte ununterbrochen, und da bist du dir dann nicht mehr so ganz sicher, ob nicht vielleicht doch ein Mörder in dir steckt, wenn eine Wuchtbrumme wie die Hüffart die ganze Zeit höllisch nervt. Aber Wencke war ja zum Glück dabei, die beiden liefen aneinandergekettet den Trampelpfad entlang, der über den Kamm des Langenbergs führte. Da kannst du nicht die eine killen, weil sie dich wahnsinnig macht, und die andere guckt dabei zu. Und Wencke war ja nicht gerade der Typ, der bei so was ruhig zuguckt.
    »Du kanntest die Geschichte von der Ermordung Baldrs schon lange bevor Jarle sie uns bei der Eröffnungsrede in der Hallgrímskirkja erzählt hat.« Ihre Stimme riss ihn aus seinen Gedanken.
    Wahrscheinlich wandte sie gerade ihre ausgeklügelten Verhörmethoden an, dafür war diese LKA-Superfrau ja angeblich berühmt-berüchtigt. Frankie hatte keine Ahnung, worauf Wencke hinauswollte, doch er spürte, sie machte ihre Sache gut. Silvie Hüffart hörte immerhin auf zu keifen.
    »Du wusstest, dass der geliebte Sohn des Gottes Odin auf einem Floß aufgebahrt wurde, nachdem ein Pfeil ihn durchbohrt hatte. Du hattest in diesem Buch darüber gelesen.«
    »Ich wette, du bist nicht hier, weil du mit mir über Literatur reden willst. Komm auf den Punkt, Wencke!« Das klang nur halb so selbstbewusst, wie Silvie es wahrscheinlich gewünscht hätte. Diese Frau musste ahnen, dass es ihr an den Kragen ging. Die Schritte in ihren albernen Schühchen waren unsicher, ihr Blick flatterte. Bestimmt hoffte sie, dass die Sache möglichst zügig über die Bühne ging.
    Doch den Gefallen würde Wencke ihr augenscheinlich nicht tun, dazu war die Wahrheit zu lange verborgen geblieben, als dass sie jetzt einfach so ans Licht kommen wollte. Sie ließ sich Zeit, schaute sich um, als würde sie nach etwas suchen. »Erinnerst du dich an den Tag, an dem wir Jan gefunden haben?«
    »Ja, natürlich …«
    »Wir sind die ganze Zeit über hier am Langenberg unterwegs gewesen. Immer wieder mussten wir uns mühsam durch das Gestrüpp schlagen. Dafür haben wir vom Truppenleiter diese praktischen Einhandmesser überreicht bekommen, stimmt’s? Jede Menge Unkraut – guck mal, diese riesigen Dornenhecken wachsen noch immer überall zwischen den Bäumen, die sind fast so groß wie ich!«
    Jetzt blieb Wencke stehen und auch Götze hatte das Gefühl,sie könnten soeben die richtige Stelle erreicht haben. Rechts fiel der Waldboden abrupt ab und weiter unten waren flache Felsen unter dem Laub zu erkennen. »Das
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