Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung
Autoren: Tanja Kinkel
Vom Netzwerk:
Experiment nicht besser nutzte. So nannte er sie: Mein gelungenes Experiment.«
    Er brach ab. »Es war die perfekte Rache für ihn, verstehen Sie«, sagte er müde. »Wissenschaftlich und persönlich. Er hat weder ihr noch mir je verziehen, dass wir ihm, wie er das sah, Knüppel zwischen die Beine warfen. Warren wollte Beatrices unschlagbares Immunsystem für unsere Forschung nutzen. Aber seit er seine fixe Idee mit diesem Virus hatte, das auf eine bestimmte DNA-Kombination reagieren sollte, wurde sie endgültig zu einer Obsession für ihn. Bea hat Erbgut, das in dieser Form nirgendwo sonst auf der Welt existiert, und an wem könnte man besser testen, ob ein Virus sich tatsächlich auf eine bestimmte genetische Besonderheit ausrichten lässt, als an ihr? Welche Testperson bietet so ein Potenzial für Mittel wie Gegenmittel? Ihr Ausflug mit Ihnen machte ihm deutlich, dass sie nicht länger im Labor zu halten war, möglicherweise eines Tages verschwinden konnte. Also wollte er nicht länger warten. Er testete mit Retroviren als Transportmittel für das Erbgut eines neuen Viruserregers, seines Erregers, speziell für ein bestimmtes Erbgut entworfen, und dann spritzte er sein Gegenmittel, damit er endlich sichtbare Erfolge präsentieren konnte. Ein fertiges Produkt für unsere nationale Sicherheit. Warren jedenfalls glaubt das wirklich. Und wenn es nur sein Wirkstoff wäre, dann gäbe es vielleicht noch Rettung, aber das Ding hat sich in Wahrheit mit dem verbunden, was schon immer in Beatrice schlummerte und jetzt durch die Schwangerschaft erwacht ist. Die neuen Viren werden sich, wenn sie einmal freigesetzt wurden, bei jeder Kontaktperson in den Nervenzellen verstecken, kurz warten und dann zuschlagen. Dazu braucht es noch nicht einmal einen Geschlechtskontakt. Jeder Austausch von Körperflüssigkeiten wird genügen, und sei es ein Kuss.«
    »Wie lange wissen Sie das schon? WIE LANGE?«
    Erst als das Echo seiner Stimme in seinen Ohren widerhallte, begriff Neil, dass er gebrüllt hatte.
    »Ich wusste es noch nicht, als ich Beatrice zur Flucht verhalf. Da wusste ich nur, dass Warren kurz davor stand, von Mr. President unbegrenzte Vollmachten zu erhalten, und es ließ sich ausrechnen, dass das für niemanden gut sein konnte, am allerwenigsten für Beatrice. Und ich wusste, als ich mich von ihr verabschiedete, dass Warren sie zuvor einer Vollanästhesie unterzogen hatte. Also nahm ich noch einmal Blutproben von ihr und verglich sie mit denen, die sie selbst in den Wochen vorher getestet hatte. Erst als mir die Ergebnisse vorlagen, begriff ich. Zu spät, denn da war sie schon fort.«
    Bitter lachte er auf. »Warren hat sich so bemüht, auf bestimmte genetische Codes fixierte Viren zu entwerfen, aber dann setzt er ein Virus in die Welt, das er nie geplant hatte. Und es ist etwas weitaus Fataleres als HIV dabei herausgekommen, Mr. LaHaye. Sie müssen mir das jetzt glauben, wir haben es mit einer Art Killervirus zu tun. Inzwischen dürfte es so weit mutiert sein, dass Händeschütteln oder Anhauchen genügt.«
    »Das heißt, sie wird sterben… und…«
    Seine Hand auf Julies Haar. Der Abschiedskuss. Julie in ihrer Schuluniform, so sehr am Leben, wie Ben tot war.
    Erst als er den kalten Boden unter sich spürte, wurde Neil bewusst, dass er in die Knie gesunken war. Er begriff, er begriff nur allzu gut, und er wünschte sich die Nadeln in ihren Haaren, um sich die Augen auszustechen.
    »Ob Beatrice stirbt, ist keineswegs sicher. Sie befindet sich zu weit außerhalb der menschlichen Norm, um da Vorhersagen zu machen. Vielleicht weiß sie nicht einmal, wie krank sie ist. Was sie inzwischen wissen muss, ist nur, dass sie schwanger ist; schließlich hat sie seit ihrer Flucht keinen Zugang mehr zu Analysegeräten. Aber der Besitzer des Glacier Bay Country Inn, bei dem sie sich nach unseren Informationen aufhielt, bevor sie Alaska verließ, ist inzwischen ins Krankenhaus von Anchorage eingeliefert worden, genau wie seine Angestellten. Wir verfolgen derzeit eine Todesspur der Gäste des Glacier Bay Country Inn quer durch die USA. Ich hatte die schwache Hoffnung, Beatrice bei Ihnen zu finden. Aber selbst dann? Sie beide jetzt zu töten oder zu isolieren macht keinen Sinn mehr, es sei denn, Sie könnten mir jeden Menschen nennen, mit dem Sie in Kontakt waren, seit Sie und Beatrice sich getrennt haben, und wir könnten jeden einzelnen dieser Menschen auf der Stelle ausfindig machen und ebenfalls isolieren. Für Leute wie den Anhalter, den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher