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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung
Autoren: Tanja Kinkel
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durch meine Arbeit das zu geben, was sie sich wünschte, was ich mir wünschte: ein Kind. Unsere Tochter.«
    »Ihr Geschöpf, meinen Sie.«
    »Angesichts der Kosten und der katastrophalen Fehlrate«, fuhr Sanchez monoton fort, ohne ihn zu beachten, »beschloss Livion, diese Experimente einzustellen. Ich hatte ihnen natürlich nichts davon gesagt, dass ich für einige der Embryonen meine eigene DNA verwendet hatte. Aber es gab ja noch Beatrice. Livion gestattete mir und Elaine, Beatrice zu behalten, unter der Voraussetzung, niemanden je über ihre Herkunft aufzuklären und dem Konzern die Möglichkeit zu bieten, ihre Entwicklung aufzuzeichnen. Für Elaine kein Problem. Sie litt unsäglich darunter, keine Kinder zu haben; Beatrice war das, was ihr in ihren letzten Jahren Freude gab, und als sie starb, musste ich ihr schwören, dass Beatrice nie von ihrer wahren Herkunft erfahren würde.«
    »Und deswegen haben Sie Beatrice die Sache mit der Lichtallergie eingeredet? Damit Livion sie besser überwachen konnte?«
    Sanchez schüttelte langsam den Kopf.
    »Nein. Wenn es nach Livion gegangen wäre, dann hätte sie durchaus in eine reguläre Schule gehen und später studieren können, wo auch immer sie wollte, solange jedenfalls, wie ich ihnen Zugang zu ihr gesichert hätte. Täuschen Sie sich nicht, die Leute sind keine Monster. Nein, der Grund, diese Krankheit vorzutäuschen, war, dass sie tatsächlich etwas in sich trägt. Mit Hautkrebs hat es allerdings wenig zu tun. In ihren ersten Monaten zeigten sich bei ihr genau wie bei den Kindern, die starben, immer wieder Symptome eines mir unbekannten Virus’, das offensichtlich ständig mutierte, und bevor Sie fragen, nein, es war nicht das HI-Virus, obwohl es da gewisse Ähnlichkeiten gab. Aber im Gegensatz zu den anderen Kindern regte er bei Beatrice die körpereigene Immunabwehr so stark an, dass sich ständig neue Antikörper bildeten. Das hat bis zum heutigen Tag angehalten. Meiner Vermutung nach hatte das Virus sich aber nur verkapselt; es gelang mir auch nie, es zu isolieren.«
    Der weißhaarige Kopf beugte sich vor, bis die Stirn das Glas berührte.
    »Ich durfte Elaine davon nichts erzählen. Zu dem Zeitpunkt war bereits sicher, dass Elaines eigener Tod bald bevorstand, und sie sollte nicht mit dem Wissen sterben, ihr Kind würde sie nicht lange überleben. Ich war mir selbst nicht sicher. Aber ich musste sicherstellen, dass Beatrice ständig unter meiner Aufsicht bleiben würde.«
    »Aber Beatrice ist nicht gestorben«, unterbrach ihn Neil. »Sie ist weder gestorben, noch ist sie krank. Das hätte sie mir gesagt.«
    Neil verdrängte den Gedanken an die Entscheidung, von der Beatrice geschrieben hatte. Eine Krankheit hatte mit Entscheidungen nichts zu tun. Das konnte sie nicht gemeint haben.
    Sanchez trat wieder von der Fensterscheibe zurück, und die erschöpfte Leere, die sich in seine Züge gegraben hatte, erinnerte Neil an Deirdre auf der anderen Seite von Bens Liege.
    »Das Ding ist äußerst gefährlich. Und wissen Sie, durch was es aktiviert wird, scharfgemacht wird? Was es dazu bringt, zu mutieren, sich zu vermehren und übertragbar zu werden? Natürlich wissen Sie es nicht. Eine ganz bestimmte Kombination von Hormonen, deren Namen Sie nicht einmal kennen werden, also werde ich versuchen, es so einfach wie möglich zu halten und es auf den Punkt zu bringen: Es ist eine ganz bestimmte Kombination von Hormonen, die mit Beginn einer Schwangerschaft ausgeschüttet wird. Meiner wohl überlegten Meinung nach, und ich habe jahrelang darüber spekuliert, würde das Virus in Beatrice in dem Augenblick wieder wandern und mutieren, wenn sie schwanger wird, weil durch die hormonelle Umstellung verkapselte Erreger aus ihrer Deckung gezwungen werden. Ich tat das Meine, damit es nie zu so einer Situation kommen würde, und ich hatte Erfolg. Bis Sie auftauchten!«
    »Aber sie ist nicht…«, begann Neil und brach ab, als ihm eine entsetzliche Ahnung kam. Auf dem Boot. Beatrice konnte sehr wohl schwanger geworden sein. Und wenn Beatrice sich nicht sicher war, ob sie das Kind behalten wollte, dann hätte sie ihm das nicht in einer Lage erzählt, in der er um seinen gerade verstorbenen Sohn trauerte.
    Sanchez starrte ihn prüfend an: »Sie haben mit ihr geschlafen? Ich habe es geahnt, aber ich hatte gehofft, dass ich mich irre. Dass nur Warrens… Sehen Sie, Warren hat schon immer ein zu großes Interesse an Beatrice gehabt. Er konnte nie verstehen, warum ich mein gelungenes
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