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Götterdämmerung

Götterdämmerung

Titel: Götterdämmerung
Autoren: Tanja Kinkel
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Sie mitgenommen haben, ist das schon zu spät; er ist bereits tot. Sprachen wir nicht einmal über Eden? Über eine neue Welt? Sie und Warren und ich, Mr. LaHaye, wir haben sie geschaffen.«
     
    EPILOG
    Ich habe es dir nie erzählt, Beatrice, aber ich hatte mir dein Labor immer wie eine Kreuzung aus verlassener Ölstation und utopisch sterilem Raumschiff vorgestellt; nicht wie die in warmen, goldbraunen Holzfarben gehaltene Ansammlung von etwas, das vom Flugzeug aus wirkt wie eine harmlose Aneinanderreihung von Blockhütten. Mittlerweile kenne ich jede einzelne Abteilung, in- und auswendig.
    Ich wurde hierher gebracht, als sich herausstellte, dass ich kein einziges Symptom der Krankheit zeigte, die dein Vater, bitter, aber nicht zu Unrecht, die Mears-Sanchez-LaHaye-Seuche benannte. Zu diesem Zeitpunkt war ich mehr als bereit zu kooperieren; wir hatten immer noch die Hoffnung, dass ein Gegenmittel gefunden werden könnte, die Katastrophe in Grenzen zu halten. Doch das Sterben in den Großstädten hatte bereits begonnen, genauso wie die internationale Quarantäne, die viel zu spät angeordnet wurde, aber zum ersten Mal in meinem Leben war ich bereit, mich ganz und gar an die Hoffnung zu klammern, dass auch Menschen, die ich verabscheute, Wunder bewirken würden. Wenn sie das, was mir Immunität verlieh, reproduzieren konnten, dann hatte mein Leben doch noch einen Sinn.
    Julie war zu diesem Zeitpunkt schon tot; das erzählten sie mir jedenfalls. Die ganze Wahrheit erfuhr ich erst später.
    Als man es aufgegeben hatte, mich von Informationen und Kontakten zu isolieren, lauteten die Nachrichten alle gleich. Natürlich waren ausländische Terroristen an der Epidemie schuld, die Regierung hatte mehr und mehr Ermächtigungsgesetze verlangt und bekommen, und der Verteidigungsminister bedrohte inzwischen eine stetig wachsende Zahl von Staaten mit Atomschlägen. Aber all das verblasste in seiner Ungeheuerlichkeit angesichts der ständig wachsenden Zahl der Toten. Die Leichen wurden wegen der Ansteckungsgefahr längst nicht mehr alle identifiziert, aber dein Vater, der sich bis zu seinem Tod weigerte, die Hoffnung aufzugeben, wies darauf hin, dass du, wenn die Krankheit dich selbst befallen hätte, bereits gestorben wärst, als noch genügend Menschen da waren, um verzweifelt nach dir zu suchen. Ich hatte ihm von Miami erzählt, aber Armstrong, der zu diesem Zeitpunkt noch das Sagen hatte, hielt das für einen Trick und gab strikte Order, mich nicht dort hingehen zu lassen. Stattdessen schickten sie Sicherheitskräfte. Falls du dort warst bei den Flamingos, hast du sie wohl erkannt und bist geflohen.
    Armstrong verbrachte seine letzten Wochen fast ausschließlich hier, weißt du. Er nahm jedes Mittel, das ihm Warren Mears anbot. Natürlich hat alles nichts genutzt; im Gegenteil. Was zum Schluss noch von ihm übrig war, erinnerte mich an die Fotos von Strahlungsopfern im letzten Stadium. Einmal kam er zu mir, packte mich an den Schultern und brüllte:» Was ist es?«
    »Schicksal, Mr. President«, erwiderte ich. Ich würde gerne sagen, dass er mir Leid tat, dass der Beginn des neuen Zeitalters unter der Seuche, die Tragödie Amerikas, die bald die der Menschheit wurde, mich zu einem besseren Menschen geläutert hat, und ich in der Lage war, auch Armstrong zu verzeihen. Aber es wäre eine Lüge, und die Wahrheit ist beinahe alles, was mir jetzt noch bleibt. Ich empfand keinen Funken Mitleid für ihn; allerdings auch keinen Hass mehr. Er war mir gleichgültig geworden. Das schien die größte Beleidigung für ihn zu sein, die er sich vorstellen konnte, denn er entschloss sich, mir noch einen letzten Schlag zu versetzen.
    Julie, sagte er, sei nicht an dem Virus gestorben, wie man es mir gegenüber behauptet hatte. Julie war genauso immun wie ich gewesen, musste, was auch immer mir Immunität verlieh, von mir geerbt haben. Gerettet hatte sie das trotzdem nicht. Deirdre, die geglaubt haben muss, den Teufel könne man nur mit dem Beelzebub austreiben, war mit ihr zu einem der anderen Pharmakonzerne gegangen, ehe Armstrongs Agenten sich ihrer bemächtigen konnten. Nur waren die Laboratorien jenes Konzerns nicht längst so geheim wie die Livions. Ob die Plünderungen losgingen, weil Polizei, Armee und private Sicherheitskräfte längst alle infiziert und nicht mehr in der Lage waren, irgendetwas zu schützen, als so viele voller Panik versuchten, sich Medikamente zu verschaffen, war auch das Labor, in dem Julie und Deirdre sich
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