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Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt

Titel: Godspeed Bd. 1 - Die Reise beginnt
Autoren: Beth Revis
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Raum. Das Lernzentrum ist der kleinste dieser Räume. Es gibt darin nur einen Tisch und den Zugang zur Schwerkraftröhre. Der Große Raum ist groß genug für alle Bewohner des Schiffs – vorausgesetzt, dass es ihnen nichts ausmacht, dicht gedrängt zu stehen, aber dieses Deck dürfen nur der Älteste und ich betreten. Der Große Raum stammt noch aus der Zeit vor der Seuche, als es das System mit dem Ältesten noch nicht gab. Unsere Zimmer und das Lernzentrum waren damals Büroräume für die Besatzung, und der Sternenkarte nach zu urteilen, diente der Große Raum der Navigation.
    Nach der Seuche vor vielen Jahrzehnten musste sich das Schiff verändern. Der Seuchen-Älteste gab den Decks ihre neuen Namen und reservierte das oberste für sich selbst und die Ältesten, die nach ihm kommen würden.
    Darunter auch ich.
    Der Älteste sitzt an einer Seite des Tischs im Lernzentrum. Ich sitze ihm gegenüber. Der Tisch ist echt antik und stammt noch aus der Zeit, als das Schiff vor vielen Jahrhunderten startete. Er ist aus richtigem Holz von der Sol-Erde. Ich stelle mir das Leben vor, das in diesem Holz steckt: Ein Baum, der die Luft der Sol-Erde geatmet hat, in der Erde dieses Sonnenplaneten gewachsen ist, dann gefällt, zu einem Tisch verarbeitet und an Bord der Godspeed ins All katapultiert wurde.
    »Es gibt Dinge, die du wissen musst«, sagt er. Er nimmt einen Floppy – eine digitale Bildschirmmembran, die so heißt, weil sie so wabbelig ist – vom Tisch und schaltet ihn ein, indem er mit dem Finger darüberfährt. Nach dem Aufleuchten des Bildschirms scannt er in der unteren Ecke seinen Daumenabdruck ein.
    »Ältester/Junior: Zugang gewährt«, vermeldet der Floppy. Der Älteste tippt auf den Schirm und schiebt den Floppy zu mir herüber. Ich kann durch die dünne Membran beinahe die Holzmaserung sehen, aber dann lenkt mich ab, was der Älteste mir zeigen will.
    Es ist der Lageplan des Technikdecks – ich erkenne den breiten Gang in der Mitte, von dem die Labors für Forschung und Entwicklung und die Werkstätten abgehen. Leuchtende Pünktchen verteilen sich über die Karte, blinken und wandern herum.
    »Du weißt, was das ist?«, fragt der Älteste und nimmt den Floppy wieder an sich.
    »Die Dra-Kom-Ortungskarte.« Die drahtlosen Kommunikationseinheiten, die wir alle hinter dem linken Ohr tragen, erlauben uns nicht nur, untereinander und mit dem Schiff zu kommunizieren, sie dienen auch der Ortung.
    Ich beuge mich über den Tisch, um die Dra-Kom-Karte besser betrachten zu können. Das lange weiße Haar des Ältesten streift mein Gesicht, und bevor er es sich hinters Ohr streicht, kann ich einen Hauch von Seife und von etwas Stärkerem riechen, das in meiner Nase brennt.
    »Siehst du all diese Punkte? Jeder davon ist ein Techniker. Jeder von ihnen hat eine bestimmte Aufgabe, die dazu beiträgt, dass das Schiff störungsfrei läuft. Hier arbeiten die wichtigsten Leute.« Der Älteste zeigt auf den Energieraum, lässt den Finger dann weiterwandern zum Maschinenraum, den ich noch nie gesehen habe, und dann noch weiter zu einem dahinterliegenden Raum. »Hier ist die Kommandozentrale. Das Schiff fliegt zwar von allein, aber falls etwas schiefgeht …«
    »Dann steuern Sie das Schiff?«, frage ich beeindruckt. Ich stelle mir den Ältesten als heldenhaften Kommandanten vor, fast wie ein Kapitän an Bord dieser Schiffe, die auf der Sol-Erde durchs Wasser fuhren statt durchs All. Dann sehe ich mich, wie ich das Steuer übernehme.
    Der Älteste lacht. »Ich? Nein. Das ist absurd. Älteste sind nicht dazu ausgebildet, das Schiff zu steuern. Aufgabe des Ältesten ist es, die Menschen zu steuern. Diese Techniker« – er zeigt wieder auf die blinkenden Pünktchen – »sind dafür geschult, auch in Notfällen alle Funktionen des Schiffs aufrechtzuerhalten.« Er sieht zu mir auf. Seine Augen sind aufgrund seines Alters ganz milchig, aber er durchschaut mich dennoch mühelos. »Das hast du verstanden, oder? Die Techniker steuern das Raumschiff – nicht wir.«
    Die Vorstellung, wie ich als Kommandant das Schiff zur Zentauri-Erde steuere und mir alle zujubeln, verblasst und stirbt.
    »Die Techniker sind für das Schiff zuständig, aber das Schiff besteht nur aus kaltem Metall. Du bist derjenige, der sich um die Menschen kümmern muss.«
    Der Älteste tippt auf den Zoom, und einen kurzen Augenblick leuchten alle drei Ebenen des Schiffs auf einmal auf, ein Gewirr aus sich kreuzenden Linien, von dem einem schlecht werden kann.
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