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Gnosis

Gnosis

Titel: Gnosis
Autoren: Adam Fawer
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Augen, wenn auch geführt vom Blick Tausender, die zu ihm aufsahen, legte Elijah seine Hand in Winters Nacken. Ihre Hände waren schon in Position. Im selben Moment, als er ihre Haut berührte, intensivierten sich die Gedanken/Bilder/Stimmen in seinem Gehirn, und ihre Kräfte vereinten sich mit seinen.
    Was auf der Welt geschah, projizierte er auf Winter, gefolgt von einem einfachen Befehl:
    Jetzt.
     
    Pius schreckte hoch, als Solothurn ins Zimmer stürmte.
    Der Soldat hob eben seine Hellebarde, als sein Zorn verrauchte. Das grelle Violett vor seinen Augen verschwand, und die Welt wurde schwarzweiß. Sein Blick wanderte von dem entsetzten Stellvertreter Gottes zur Hellebarde in seinen Händen, an deren Axt noch Mäders Blut klebte.
    Er wusste, was zu tun war. Seine Aufgabe war entscheidend für Valentinus’ Plan. Überall auf der Welt erschlugen Männer wie Solothurn die Kardinäle, die herrschende Elite der katholischen Kirche. In wenigen Sekunden wäre der hundertköpfige Drache bezwungen. Doch alles wäre vergebens, wenn Solothurns Mission scheiterte.
    Als er zu sich kam, streckte der Pontifex ihm die Hände entgegen.
    «Ich bitte dich, mein Sohn. Lass deine Waffe sinken!»
    «Nein», sagte Solothurn kopfschüttelnd. «Ihr seid die Wurzel allen Übels. Ich muss Euch töten!»
    Unverwandt blickte der Mann Gottes Solothurn in die Augen.
    Pius bekreuzigte sich und flüsterte:
    «Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde.»
    Bei der Erwähnung des falschen Schöpfergottes fasste Solothurn neuen Mut.
    «Ihr predigt Lügen.»
    «Ich glaube an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria …»
    Solothurn hob die Klinge der Hellebarde über den Kopf.
    «Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige katholische Kirche …»
    Blut tropfte von der Axt auf Solothurns Wange.
    «… Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, die Auferstehung der Toten …»
    Solothurn machte den Mund auf und schrie, um die Worte des Papstes zu übertönen, als er auf das Bett zustürmte.
    «… und das ewige Leben. Amen.»
    Solothurn biss die Zähne zusammen, holte aus und schlug mit der Axt nach Pius’ Kopf.
     
    Winter hielt den Atem an, als Elijah in ihr Bewusstsein drang.
    Hass und Gewalt kreischten in ihr. Quälender Schmerz fuhr ihr durch die Glieder, als der Zorn aufblitzte. Sie spürte, dass Elijah die Emotionen filterte und den größten Ansturm auf sich nahm, damit sie in den Abgrund blicken konnte.
    Sie verdrängte ihre Angst. Dann setzte sie den Bogen an und strich über die Saiten der Geige. Sie begann zu spielen.
    Als der erste Ton erklang, drang sie in die einhundertneun mörderischen Geister, die sie vor sich sah.
     
    Als Elijahs Bewusstsein mit Winters verschmilzt, öffnet sich sein inneres Auge.
    In der folgenden Nanosekunde sieht er mehr, als er in seinem ganzen Leben gesehen hat. Millionenfaches Bewusstsein in Form pulsierender elektromagnetischer Felder leuchtet in allen Farben. Jedes einzelne Feld verwandelt sich, weil Quadrillionen von Neuronen zünden.
    Und Elijah, der ultimative Empiriker, der nie irgendwas geglaubt hat, was er nicht mit eigenen Augen sehen konnte, sieht etwas, das er nie erwartet hätte: die zarte Verbindung zwischen allen.
    «Es ist das Ch’i», flüstert Winter in seinem Kopf, doch da sieht er, wie die Bindungen zwischen den elektromagnetischen Feldern stärker werden, befeuert von der bioelektrischen Aktivität einer Million Menschen. Das Bereitschaftspotenzial des Feldes baut sich auf und explodiert, was Quintillionen von Synopsen feuern lässt.
    Als die Rückkopplung stärker wird, reicht das Feld vom Times Square bis zum Himmel hinauf und vermischt sich mit der elektromagnetischen Strahlung in der Atmosphäre – Fernsehen, Radio, Handys, GPS.
    Elijahs Geist öffnet sich noch weiter, nimmt alle Wellen in sich auf, durchströmt von Bildern/Klängen/Düften/Aromen/Gefühlen/Gedanken einer Billion Lebewesen.
    Der Ausblick einer fliegenden Taube auf das Empire State Building.
    Glucksendes Wasser, das ein japanischer Koi in seinem Aquarium hört.
    Der Gestank von Müll, den eine entlaufene Katze zwei Meilen gegen den Wind riecht.
    Das Aroma der Luft, das ein Grashalm am Gehweg der 42nd Street schmeckt.
    Das Gefühl, das eine Amöbe in der Kanalisation zwischen Wassermolekülen hat, sieben Meter unter der Erde.
    Das elektromagnetische Feld umfasst die Welt, und Elijah
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