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Gnade

Gnade

Titel: Gnade
Autoren: Julie Garwood
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sie sich extra die Mühe gemacht hatte, Erfrischungen bereitzuhalten – auf dem Tisch stand auch ein Teller mit Plätzchen –, blieb Jake keine andere Wahl, als sich erneut hinzusetzen und weiter zuzuhören. Die Lehrerin redete ohne Punkt und Komma und legte ihm all die Vorteile dar, die seine Tochter in einer guten Schule hätte. Jake wollte Michelle doch sicherlich nicht all jener Möglichkeiten berauben, die eine solche Ausbildung für sie eröffnen würde! Miss Perine holte einen rosafarbenen Ordner aus der Schublade ihres Schreibtischs und reichte Jake eine glänzende, reich bebilderte Broschüre, damit er sich selbst ansehen konnte, wie prachtvoll diese Schule eingerichtet war. Michelle würde es dort gefallen, versprach sie ihm. Gewiss, sie müsse fleißig lernen, aber sie habe auf jeden Fall auch genügend Freizeit.
    Jake wollte das Beste für seine Tochter, und deshalb lauschte er aufmerksam jedem Wort, das Miss Perine zu sagen hatte. Während sie wie alte Freunde miteinander plauderten, tranken sie Limonade und knabberten die süßen Erdnusskekse. Aber es kränkte Jake zutiefst, dass Miss Perine ihm vorschlug, eine staatliche Beihilfe für das Schulgeld oder sogar ein Stipendium zu beantragen, das er nicht zurückzuzahlen brauchte. Jake musste sich ins Gedächtnis rufen, dass die Frau noch nicht lange in Bowen lebte und es nicht besser wusste. Es war bestimmt nicht ihre Absicht, ihn zu verletzen. Sie versuchte lediglich, ihm zu helfen. Aber eben weil sie neu in der Gemeinde war, hatte sie auch keine Ahnung, wie wichtig es hierzulande war, dass sich ein Mann seine Selbstachtung bewahrte. Wenn man einen Mann seines Stolzes beraubte, konnte man ihm genauso gut ein Messer ins Herz stoßen.
    Jake knirschte mit den Zähnen, dann erklärte er höflich, dass er nicht vorhabe, zum Sozialfall zu werden oder jemanden die Ausbildung seiner Tochter bezahlen zu lassen.
    Von manchen im Ort wurde er aufgrund seines Lotteriegewinns als wohlhabend angesehen, aber das konnte die Lehrerin nicht wissen. Die Leute redeten mit Fremden natürlich nicht über ihre illegalen Glücksspiele. Dennoch störte es Jake sehr, dass Miss Perine anscheinend voreilige Schlüsse zog und eine Familie nach ihrer Kleidung und ihrem Wohnort beurteilte. Falls sich Jake entschließen sollte, seine Tochter auf diese vornehme Schule zu schicken, würde er sein Altersruhegeld antasten, um die Gebühren zu bezahlen, und wenn dieses Geld aufgebraucht war, dann konnten seine Söhne immer noch einen zusätzlichen Job annehmen, damit sie gemeinsam für die Ausgaben aufkamen.
    Doch bevor ich irgendwelche Entscheidungen treffe, dachte er, muss ich die Angelegenheit mit Ellie besprechen. Er hatte sich die ganzen Jahre über in entscheidenden Fragen mit seiner Frau beraten. Er war davon überzeugt, dass es ihr wichtig war, in die Familienangelegenheiten einbezogen zu werden, und dass sie ihm auf geradezu magische Art bei wichtigen Entschlüssen zur Seite stand.
    Er musste natürlich auch mit Michelle sprechen. Sie hatte schließlich ein Wörtchen mitzureden, wenn es um ihre Zukunft ging.
    Am folgenden Samstag nahm er sie mit zum Angeln. Sie saßen nebeneinander auf dem Steg und hängten ihre Angelruten in das trübe Wasser.
    »Die Fische beißen heute nicht, was?«, bemerkte er. Währenddessen überlegte er, wie er geschickt das Thema Schulwechsel anschneiden konnte.
    »Natürlich nicht, Daddy! Ich weiß gar nicht, warum wir um diese Tageszeit angeln gehen. Du sagst immer, dass der frühe Morgen die beste Zeit ist, um Fische zu fangen. Wieso wolltest du denn erst so spät losgehen? Es ist schon bald vier Uhr!«
    »Ich weiß, wie spät es ist, du Schlaumeier! Ich wollte dich von deinen Brüdern loseisen und etwas mit dir besprechen … etwas Wichtiges.«
    »Und wieso schießt du dann nicht einfach los?«, fragte sie.
    »Sei nicht so frech zu deinem Vater!«
    »Ich bin nicht frech, ehrlich nicht.« Sie legte drei Finger auf ihr Herz.
    Sie ist wirklich ein niedliches Ding, dachte Jake, als sie mit ihren großen blauen Augen zu ihm aufschaute. Ihr Pony musste dringend geschnitten werden, die Strähnen blieben bereits an ihren Wimpern hängen. Wahrscheinlich würde er nach dem Abendessen mal wieder die Schere herauskramen müssen.
    »Diese Miss Perine ist wirklich eine nette Lady. Und hübsch ist sie auch.«
    Michelle wandte sich von ihm ab und starrte ins Wasser. »Ich weiß nicht recht. Sie riecht gut, aber sie lächelt fast nie.«
    »Kindern etwas beizubringen
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