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Gnade

Gnade

Titel: Gnade
Autoren: Julie Garwood
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Schicksal wendete sich einige Jahre später, und zwar als er sechzigtausend Dollar bei einer privaten Lotterie gewann. Da dieses Glücksspiel nicht legal war und die Behörden noch keinen Wind davon bekommen hatten, brauchte Jake den Gewinn auch nicht zu versteuern. Er überlegte, ob er das Geld dazu verwenden sollte, seine Frau in ein komfortableres Heim verlegen zu lassen, aber in seinem Innern hörte er Ellies Stimme, die ihn schalt, weil er so unvernünftig war und das Geld für etwas derart Unnützes verschleudern wollte. Deshalb beschloss Jake, mit einem Teil des Geldes den Schwan zu kaufen. Er wollte, dass seine Jungs eine Zukunft hatten. Sobald sie erwachsen waren, sollten sie die Kneipe weiterführen. Sie sollten nicht ihr Leben lang irgendwelchen Weibern nachjagen, sondern mussten in der Lage sein, Frau und Kinder zu ernähren. Den Rest des Gewinns legte Jake für sein Alter beiseite.
    Wenn Michelle nicht in der Schule war, nahm er sie überall mit hin. Jake fand, dass sie eigentlich gar keine Ausbildung brauchte, aber der Staat war da anderer Ansicht. Beim Angeln saß sie stets neben ihm und vertrieb sich die Zeit, indem sie wie ein Wasserfall plapperte oder ihm etwas vorlas. Ständig musste er mit ihr in die Bibliothek gehen, um Bücher auszuleihen. Während Jake täglich sein Nachmittagsschläfchen hielt, deckte Michelle den Tisch, und ihre Brüder bereiteten das Abendessen zu, das die Familie stets schon am späten Nachmittag einnahm. Michelle war inzwischen eine richtige kleine Hausfrau. Sie hielt die Wohnung in Ordnung – keine leichte Aufgabe, da ihr Vater und ihre Brüder ziemlich nachlässig waren –, und in den Sommermonaten machte sie die Räume besonders hübsch, indem sie überall Blumensträuße in Marmeladengläsern aufstellte.
    Am Abend begleitete Michelle Big Daddy immer zu seiner Spätschicht im Schwan. Manchmal rollte sich das kleine Mädchen wie eine Katze in einer Ecke zusammen und schlief ein.
    Jake trug sie dann in den Lagerraum hinter der Bar und legte sie auf das Bett, das er dort für sie aufgestellt hatte. Er genoss jede Minute, die er mit seiner Tochter zusammen sein konnte, denn er war fest davon überzeugt, dass sie mit achtzehn wie alle anderen Mädchen in der Gemeinde ein Kind erwarten und kurz darauf heiraten würde.
    Es war keineswegs so, dass er seiner Tochter nichts anderes zutraute. Aber in der Gegend von Bowen, Louisiana, heirateten alle Mädchen jung, und Jake war einfach Realist. Er glaubte nicht, dass sich seine Tochter in diesem Punkt von den anderen Mädchen unterschied. Für sie und die Jungs gab es nicht viel mehr zu tun, als miteinander zu flirten, und es war schlichtweg unvermeidlich, dass die Mädchen schließlich schwanger wurden.
    Jake besaß ein etwa tausend Quadratmeter großes Grundstück. Nachdem er und Ellie geheiratet hatten, baute er darauf ein Haus mit zwei Zimmern und einer Küche. Jedes Mal, wenn sich die Familie vergrößerte, hatte er einen Raum hinzugefügt. Und als die Jungs alt genug waren, um ihm zu helfen, stockte er auf und baute ein Dachzimmer für Michelle, damit sie ihre Privatsphäre hatte. Die Familie lebte mitten im Sumpf am Ende des gewundenen Feldweges, der Mercy Road genannt wurde. Überall standen Bäume, einige waren schon an die hundert Jahre alt. Im Garten gab es zwei Trauerweiden, deren Äste beinahe vollständig mit Flechten bewachsen waren, die wie gehäkelte Schals bis auf den Boden hingen. Wenn der Nebel vom Bayou herüberwaberte und der Wind auffrischte und leise zu heulen begann, sahen die Flechten im Mondlicht wie unheimliche Gespenster aus. In diesen Nächten schlich Michelle aus ihrem Zimmer hinunter und schlüpfte zu Remy oder John Paul ins Bett.
    Wenn man zügig ging, dauerte der Fußmarsch vom Haus bis zur Nachbarstadt St. Claire zwanzig Minuten. Dort gab es breite asphaltierte Straßen, aber der Ort war nicht annähernd so ansehnlich wie Bowen. Er war jedoch auch bei weitem nicht so arm. Jakes Nachbarn waren an die Armut gewöhnt. Sie taten ihr Bestes, um ihren Lebensunterhalt mit Fischen zu bestreiten, und an den Mittwochabenden gaben sie einen Dollar für die Lotterie aus, in der Hoffnung, dass sie eines Tages auch solch einen dicken Gewinn einheimsen würden wie Jake Renard.
    Als Michelle in die dritte Klasse der Horatio-Hebert-Grundschule kam, nahm das Leben der Renards eine weitere erstaunliche Wende. Michelle bekam eine neue Lehrerin, Miss Jennifer Perine. In der vierten Woche des neuen Schuljahrs führte
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