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G'meinsam durch den Monsun in die Nacht

G'meinsam durch den Monsun in die Nacht

Titel: G'meinsam durch den Monsun in die Nacht
Autoren: Georg Boettcher
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denn sie errötete ein wenig und war zum ersten Male in ihrem
Leben wirklich sprachlos, wie sie mir später erklärte. Mit einem abschließenden
Amaretto, den ich extra für diesen Abend organisiert hatte und von dem auch
Steven ein Gläschen dufte, beschlossen wir das Essen.
    Da es aber bis zur
Bescherung, noch eine gute halbe Stunde dauern sollte, gingen Sören und ich mit
Steven noch ein wenig in den Garten um dort frische Luft zu schnappen. Seine Eltern
und Franz wollten in der Zeit die letzten Vorbereitungen für die Bescherung
treffen.
    Es war einfach zu niedlich, denn
bei dem sonst so coolen Steven brach ausgerechnet jetzt seine kindliche Seite
voll durch. Er wurde immer aufgeregter, je länger es dauerte und versuchte, Marco
und mir, mit allen möglichen Tricks, wobei er selbst vor Bestechung nicht
zurückschreckte zu entlocken, was er geschenkt bekommen würde. Doch da war er
bei uns genau an der richtigen Adresse. Wir schwiegen uns beharrlich aus, schließlich
hatten wir ja selbst etwas ganz Besonderes für ihn.
    Sein Gesicht, als er dann später unser
143 Zentimeter großes Geschenk entdeckte und auspackte, lässt sich mit Worten nicht
beschreiben. Immer wieder strich er ganz vorsichtig über das Board, drehte es
und strahlte uns dabei an, als ob er es nicht glauben könnte. Dann kam er
endlich zu uns rüber, umarmte uns und gab uns, jedem, einen Kuss direkt auf den
Mund.
    „Das ist wirklich das tollste
Geschenk von allen. Danke dafür, ich hab‘ euch ganz megadolle lieb.“
    Selbst als wir dann später mit ihm
und Miro auf dem Weg zur Christmette waren schwärmte er immer wieder von seinem
Snowboard. Der arme Miro wusste sich zuletzt nicht mehr anders zu helfen und
versiegelte Stevens Lippen, hundert Meter vorm Dom, nochmals mit einem Kuss.
    Der Dom war wie in
jedem Jahr bis auf die letzte Bank gefüllt. Da wir zuletzt eintraten, blieb für
uns nur die Möglichkeit, die Messe von ganz hinten, im Stehen zu verfolgen. Ein
Umstand, der uns allerdings ganz recht war, da wir so die Möglichkeit hatten,
uns aneinander zu kuscheln und ganz nebenbei, unbeobachtet zu schmusen, während
die Messe ihren Verlauf nahm. Erst als es dann zur Kommunion ging und wir vier ebenfalls
langsam nach vorne strebten, fühlten wir uns doch ein wenig beobachtet.
Besonders unser Steve rückte dabei aufgrund seines Stylings ins Blickfeld der übrigen
Besucher. Es war schon beinahe peinlich, wie sie ihn regelrecht anstarrten, nur
weil er ein wenig geschminkt war und ein Augenbrauen-Piercing trug. Doch Steven
hielt tapfer durch, er nahm Miros Hand und schritt gemeinsam mit ihm weiter
nach vorne.
    Alles lief ab wie
gewohnt und jeder bekam ‚Brot und Wein‘ bis … ja bis Sören und ich, dran waren.
Denn als wir beiden vor dem Pfarrer standen, hörten wir deutlich irgendwo aus
den Reihen jemanden tuscheln:
    „Guckt mal, da sind die
beiden Schwuchteln.“
    Der Pfarrer hörte dies,
schüttelte den Kopf und versagte uns schweigend, was den anderen zu Teil
geworden war. Also traten wir schweigend beiseite und machten den Weg frei.
Miro und Steven taten es uns gleich und machten kurz vor dem Pfarrer kehrt. Wir
vier sahen uns nur kurz schweigend an und dann taten wir etwas, womit niemand
gerechnet hätte. Wir küssten uns unter den Blicken der Menge, ganze vier
Minuten lang knutschten wir wild mit Zunge, was das Zeug hielt, bevor wir
lachend und unter dem Beifall der Jüngeren das Gotteshaus verließen und den
Heimweg antraten.
    Für den Pfarrer war
dies eine besonders peinliche Niederlage, er ließ sich bald darauf versetzten
und machte so einem jüngeren Amtskollegen Platz. Für uns jedoch war es eine
gewonnene Schlacht. Denn wir hatten allen bewiesen, dass wir nicht bereit waren
uns dem Willen der Kirche zu beugen, nur um den Segen Gottes zu erhalten.
     
    Ende
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