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G'meinsam durch den Monsun in die Nacht

G'meinsam durch den Monsun in die Nacht

Titel: G'meinsam durch den Monsun in die Nacht
Autoren: Georg Boettcher
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Körper ... ließ es aber geschehen. Dabei redete ich leise auf
ihn ein und stellte mich kurz vor. Schließlich sollte er ja wissen, mit wem er
es zu tun hatte.
    Ein seltsames Gefühl überkam mich ...
wir kannten uns doch überhaupt nicht. Dennoch war da irgendwas Vertrautes, doch
warum, das erfuhr ich erst später. Im Lauf der Zeit fasste der Junge langsam Vertrauen
und fing an zu erzählen.
    „I heiß Marco ... Marco
Stampone. I bin siebzehn und mein Vater hat mi gestern
nausg'schmissen.“
    Auch den ‚Grund‘ weshalb lieferte
Marco mir, was mich verwunderte, ohne zögern. Sein Vater, ein italienischer
Pizzabäcker, hatte ihn und seinen Cousin an diesem Tage gemeinsam unter der
Dusche erwischt.
    Irgendwie schien es bisher überhaupt
nicht unser Abend gewesen zu sein. Meine sogenannten Freunde hatten mich
beschimpft und sich von mir losgesagt, nur weil ich anders bin und Marco wurde
aus genau denselben Gründen zunächst von seinem Vater aus dem Haus geworfen und
einen Tag später auf offener Straße verprügelt.
    -Armes Österreich- dachte ich nur.
    Kurzerhand beschloss ich, dass
Marco vorerst, für die nächsten Tage, bei mir wohnen sollte, damit er wieder
zur Ruhe kommen konnte. Da ich eine eigene kleine Wohnung hatte, würde dies
auch kein größeres Problem werden. Damit war er auch einverstanden. Nur in
einer Sache waren wir zunächst geteilter Meinung.
    „Marco ich würde deine Verletzungen
gerne im Kreisspital untersuchen lassen.“
    „Nein bitte, des is wirklich nit
nötig. S is nit so schlimm“, versuchte er aufgeregt, dieser Prozedur irgendwie
zu entgehen.
    Nach einigem guten Zureden schaffte
ich es aber dennoch, ihn zu überzeugen.
    Glücklicherweise herrschte an
diesem Abend nicht viel Betrieb in der Notaufnahme. So mussten wir auch nicht
sehr lange warten, bis ein Arzt kam, der ihn mitnahm, um sich Marcos
Verletzungen anzusehen und diese zu versorgen. Am Ende sah es schlimmer aus,
als es in Wirklichkeit war. Außer der aufgeplatzten Lippe und einer leichten
Prellung an der rechten Schulter war er mit dem Schrecken davon gekommen. So
kam es, das wir nach ca. zwei Stunden das Spital wieder verlassen konnten. Die
Stationsschwester, eine nette, etwa 50jährige Frau, mit schwarzen Haaren, hatte
uns zwischenzeitlich ein Taxi gerufen, mit dem wir dann heimfuhren, heim zu mir
nach Wienchen.
    Da waren wir also nun
... und die schrecklichen Ereignisse der letzten 24 Stunden steckten mir immer
noch tief in den Knochen. Kein Wunder, wenn man mit gerade mal siebzehn Jahren
vom eigenen Vater aus dem Haus geworfen und am Abend drauf auf offener Straße
verprügelt wird ... und alles bloß, weil man anders ist.
    Wohin hätte ich auch
gehen sollen? Meine Mutter starb, als ich sechs Jahre alt war. Seitdem waren
mein Vater und meine beiden großen Brüder mein einziger Halt. Aber zu Silvio
oder Andrea hätte ich nicht ziehen können ... dafür standen sie auch als
Erwachsene immer noch viel zu sehr unter dem Einfluss meines Vaters. Die Eltern
meiner Mutter waren, noch bevor ich geboren wurde, nach Amerika ausgewandert.
Die gesamte Familie, meines Vaters … verdiente er diesen Namen überhaupt, lebte
in Milano.
    Hätte Sören mich nicht
gefunden ... dann wäre ich wahrscheinlich irgendwann als Straßenjunge auf dem
Strich gelandet. Ein Schicksal, welches viele Jugendliche ohne Perspektive,
überall auf der Welt aus Geldnot, Hunger oder Drogensucht, immer wieder
erleiden.
    So stand ich also jetzt
in Sörens Wohnung ... der Wohnung eines Mannes, der mir eigentlich völlig fremd
war. Dennoch war mir, als würden wir uns schon seit Ewigkeiten kennen ... wenn
ich nur wüsste warum.
    „Magst du duschen?“
    Mit dieser Frage riss
mich Sören aus meinen Gedanken.
    Natürlich wollte ich,
denn ich fühlte mich schmutzig. Fragend blickte ich mich um.
    „Ach ja die zweite Tür
rechts, geh schon mal ich suche dir inzwischen heile Kleidung raus und bring
sie dir dann.“
    Wenig später stand ich
unter der Dusche und drehte das Wasser auf. Es tat so gut das warme Wasser auf
meiner nackten Haut zu spüren ... mit einem Mal waren alle Sorgen für den
Moment vergessen. Während ich mich gründlich mit dem gut riechenden Duschgel
einseifte, fing ich an den Refrain eines Liedes zu singen, ein Song, der mir
seit Wochen nicht mehr aus dem Kopf ging, seit ich ihn auf dem deutschen Musiksender
VIVA gehört hatte.
    „Ich muss durch den
Monsun hinter Welt, ans Ende der Zeit, bis kein Regen mehr fällt …“
    Während ich noch am
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