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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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in die H o cke, legte die Münzen auf den Boden und richtete sich dann rasch wieder auf, um zwei Schritte zurückzuweichen. Einer der neu hinzugekommenen Jungen wollte sich nach den Geldst ü cken bücken, doch der Bursche mit dem Messer scheuchte ihn mit einer raschen Geste zurück. »Was soll das?«, fragte er. »Wer bist du, und was willst du von uns?«
    »Wirklich nichts, wovor ihr Angst haben müsstet«, sagte Andrej wieder, schüttelte den Kopf und kam noch einen Schritt näher, gerade nahe genug, um jetzt vollends in den Lichtschein des Feuers zu treten, aber nicht so nahe, um die natürliche Fluchtdistanz des Jungen zu unterschreiten - die in seinem Fall wohl eher eine Angriffsdistanz war Übertrieben langsam hob er die Hände und öffnete dann vorsichtig seine Pelerine, damit der Bursche sehen konnte, dass er keine Waffe darunter trug. »Ich habe eure Stimmen gehört und euch eine Weile beobachtet. Ist das da alles, was ihr zu essen habt?«
    »Und was geht das dich an?«, fauchte der Junge. Langsam schienen das Misstrauen und die wilde Entschlossenheit, sich bis zum letzten Atemzug zu verteidigen, aus seinem Blick zu weichen. Doch Andrej spürte auch, wie dünn das Eis noch war.
    »Eigentlich nichts«, gestand er. Dann deutete er auf die Münzen, die noch immer unberührt zwischen ihm und den drei Ju n gen lagen. »Ich dachte mir nur, ihr könntet das da brauchen. Nehmt es ruhig. Es ist nicht vergiftet.«
    Das war der falsche Ton. Das Misstrauen flammte neu in den plötzlich schmaler werdenden Augen des Burschen auf, und für einen kurzen Moment löste sich sein Blick von Andrejs Gesicht und versuchte, die Dunkelheit hinter ihm zu durchdringen. Wahrscheinlich vermutete er, dass Andrej nicht allein geko m men war. »Und was sollen wir dafür tun?«, fragte er schlie ß lich.
    »Nichts«, antwortete Andrej. »Oder doch, ja.« Er machte e i ne Kopfbewegung auf das prasselnde Feuer »Die Nacht ist ziemlich kalt. Ich würde mich gerne an eurem Feuer aufwä r men. Ist das möglich?«
    Wieder vergingen Sekunden, in denen der Junge sichtlich mit sich rang, und auch dann nickte er nicht, sondern blickte nur einige Male abwechselnd die Geldstücke und Andrej an und fragte noch einmal: »Und das ist auch wirklich alles?«
    »Ich sehe hier nichts, was für mich sonst noch von Interesse wäre«, antwortete Andrej lächelnd. »Also? Kommen wir ins Geschäft?«
    Der Bursche antwortete nicht direkt, machte aber eine wi n zige Handbewegung, und die Münzen verschwanden wie von Zauberhand in der Tasche eines seiner Freunde. Der andere machte rasch zwei, drei Schritte zur Seite, die ihn näher an den Torb o gen heran, aber auch halb in Andrejs Rücken brachten. So würde er entweder fliehen oder ihn zusammen mit den anderen von zwei Seiten zugleich angreifen können. Andrej zollte dem Jungen in Gedanken einen traurigen Respekt. So mancher Mann, den er getroffen hatte und der sich Krieger nannte, hätte nicht so bedacht gehandelt.
    »Und vielleicht können wir uns ein bisschen unterhalten«, fügte er hinzu. »Ich bin fremd in dieser Stadt und könnte ein paar I n formationen brauchen.«
    Es vergingen tatsächlich noch einmal endlos scheinende S e kunden, in denen das Misstrauen des Jungen sichtlich noch einmal stärker aufflammte, dann aber ließ er zuerst sein Messer und danach den Stock mit der Ratte sinken, schürzte trotzig die Lippen und zuckte betont gleichmütig die Achseln. »Meine t wegen«, sagte er »Aber versuch keinen Unsinn. Wir können uns wehren. Und wir sind viele.«
    »Ich weiß«, sagte Andrej. Sehr vorsichtig legte er die beiden letzten Schritte zum Feuer zurück, setzte sich mit gekreuzten Beinen auf den nackten Boden und legte den Hut neben sich ab. Dann streckte er die Hände aus und rieb sie so dicht über den Flammen aneinander, wie es gerade noch ging, ohne sich zu verbrennen. Obwohl er dem Feuer jetzt nahe war, war es noch immer so kalt, dass sein Atem als grauer Dampf vor seinem Gesicht aufstieg.
    Nach und nach kamen nun auch die anderen zurück. Andrej tat so, als konzentriere er sich ganz auf das Feuer und genösse die Wärme an seinen Fingern, hielt das knappe Dutzend G e stalten zugleich aber auch aufmerksam im Auge. Wohin er auch sah, blickte er in ebenso angsterfüllte wie argwöhnische G e sichter, aber ihm wurde auch erneut und mit noch größerer Deutlichkeit klar, wie erbärmlich ihr Anblick war Und so etwas nennt sich also Zivilisation, dachte er bitter, und die Bewohner dieser Stadt
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