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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sich selbst, so wie er sein mochte - in hundert oder auch in tausend Jahren oder auch am Ende aller Zeiten: ein Mann, der alles gesehen und alles verloren hatte, was es zu sehen und zu gewinnen gibt.
    »Ist es das, was aus ... mir wird?«, flüsterte er.
    »Es ist ein wenig komplizierte!; als du glaubst, Andrej«, sagte Meruhe. Sie hatte wieder seine Gedanken gelesen. Ein mattes, sehr trauriges Lächeln begann sich auf ihren Zügen auszubre i ten. »Wir sind keine Ungeheuer Wir sind trotz allem immer noch Menschen.«
    Andrej sah zu Lokis Leiche hin. Immerhin konnten sie ste r ben. »So?«, fragte er. »Seid ihr das?«
    »Es ist der natürliche Lauf der Dinge. So wie Abu Dun und du das seid, was aus den Sterblichen wird, wenn sie den näch s ten Schritt tun, so sind wir das, was aus euch wird.«
    »Und was«, fragte Andrej, »wird dann eines Tages aus euch?«
    Er stand auf, bevor Meruhe antworten konnte, und drehte sich mit einer demonstrativ entschlossenen Bewegung zu Abu Dun um. »Es wird Zeit, Pirat«, sagte er mit einer Geste auf die brennende Stadt. »Dort draußen treiben sich immer noch einige von Lokis Kreaturen herum. Wir sollten sie suchen, bevor noch mehr Unschuldige getötet werden.«
    »Lokis Vampyre?«, fragte Abu Dun. »Oder redest du von Frederic?«
    Andrej schwieg. Der Nubier kannte die Antwort. Aber er konnte nicht wissen, was er in Frederics Seele gesehen hatte, in di e sem einen, unendlich kurzen Moment, in dem ihm ein Blick direkt in die Hölle gewährt worden war.
    Er sah noch einmal Meruhe an, und jetzt war sie wieder jener andere, jenes im gleichen Maße starke wie verwundbare An t litz, das nicht wirklich er war, ihm aber ähnlich genug, um s o gar ihn selbst zu täuschen, war es doch Blut von seinem Blut und Fleisch von seinem Fleisch.
    Und erst jetzt, erst in diesem Moment, verstand er wirklich, warum Meruhe ihm nicht erlaubt hatte, Frederic zu töten, so n dern sogar bereit gewesen war, ihr eigenes Leben zu opfern, und ein Gefühl unendlicher Liebe und noch tieferer Scham e r griff von ihm Besitz.
    »Und was wirst du tun, wenn wir ihn finden?«, fragte Abu Dun. »Willst du ihn töten?«
    Andrej schwieg, doch Meruhe antwortete an seiner Stelle. »Nein, Pirat. Das wird er nicht. Er kann es nicht.«
    »Ach?«, fragte Abu Dun spöttisch. »Glaubst du? Und was macht dich da so sicher, wenn ich fragen darf? Vor ein paar Minuten wollte er es noch - nur, falls es dir nicht aufgefallen sein sollte.«
    »Aber da wusste er auch noch nicht, wer er wirklich ist«, antwortete Meruhe. Ihre Stimme wurde schwächer, und das letzte Wort ging in einem qualvollen Husten unter. Mehr Blut lief aus ihrem Mund.
    »Wer er wirklich ist?«, wiederholte Abu Dun verständnislos. »Was soll das heißen: wer er wirklich ist? Frederic ist Fred e ric!«
    »Nein«, sagte Andrej leise. Vielleicht dachte er es auch nun Seine Kehle war wie zugeschnürt, und sein Herz schlug sehr langsam und sehr hart. »Sein Name ist nicht Frederic, Abu Dun. Das war er nie.« Meruhe hatte ihm gezeigt, wer er wirklich war, und sie hatte noch ungleich mehr getan und ihm klar gemacht, was aus ihm werden konnte, sowohl im Schlechten als auch im Guten. Und ganz gleich, wie gering die Aussicht auch war, dass er nicht zum Zerstörer von Welten werden würde, sondern zum genauen Gegenteil - er hatte nicht das Recht, ihm diese Chance zu verwehren. »Sein Name ist Marius. Er ist mein Sohn.«
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