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Glut und Asche

Glut und Asche

Titel: Glut und Asche
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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aufg e richtet, während sie sich an ihrem Rücken zu schaffen machte. Andrej eilte um sie herum und war nicht im Geringsten übe r rascht, als er Meruhes entblößten Rücken erblickte, aber zutiefst erschüttert. Die Wunde unter ihrem linken Schulterblatt war ein pe r fekter Zwilling des Messerstichs in Lokis Rücken.
    »Bei Allah«, flüsterte Abu Dun entsetzt. Andrej hatte gar nicht gemerkt, dass er ihm gefolgt war Jetzt entfernte er sich rasch ein paar Schritte und bückte sich, um etwas aufzuheben, das er erst mit einiger Verspätung als den schmalen Dolch e r kannte, den Meruhe vorher fallen gelassen hatte. Sein Blick irrte immer unsteter und entsetzter zwischen der blutigen Dolchklinge, Meruhes Rücken und Lokis enthauptetem Körper hin und her. »Deshalb ... können sie einander nichts ... nichts tun?«
    Andrej ging wieder um Meruhe und ihre Dienerin herum und ließ sich vor ihr auf die Knie sinken. Meruhe war bei Bewuss t sein, aber ihr Blick war noch immer trüb und ihre Atemzüge wurden weiter von diesem schrecklichen rasselnden Geräusch begleitet. Ein einzelner Blutstropfen lief aus ihrem Mundwinkel und zog eine glitzernde rote Spur über ihr Kinn. Andrej wischte ihn mit den Fingern weg.
    »Das könnt ihr doch, nicht wahr«, fragte er »Aber ihr tut es euch zugleich auch selbst an.«
    Meruhe hob mühsam den Kopf, versuchte zu lächeln und brachte nur eine gequälte Grimasse zustande. Sie hustete mü h sam.
    »Warum hast du das getan?«, fuhr er fort. »Das war ...« Dumm? Tapfer? Er wusste es nicht. Sicherlich beides.
    »Well er dich sonst ... getötet hätte«, brachte Meruhe mü h sam hervor.
    »Und so hättest du dich beinahe getötet.«
    »Sie wird leben«, sagte Ihre Dienerin. Vielleicht. Und es wird lange dauern, bis sie wieder auf den Beinen ist. Sehr la n ge.
    Vielleicht würde sie nie wieder dieselbe sein, als die er sie kennengelernt hatte.
    »Warum hast du Ihn nicht ... genommen?«, murmelte sie. »Er wäre der letzte Schritt gewesen.«
    »Loki ?«
    Sie schüttelte den Kopf. » Frederic . Seine Kraft hätte ausg e reicht. Du wärst zu einem von uns geworden, und er hätte dir nichts mehr antun können.«
    »Du weißt warum«, antwortete Andrej leise.
    »Ja. Aber das wusstest du nicht. Nicht In diesem Moment.«
    Aber tief In sich hatte er es gewusst, wenn auch vielleicht auf einer Ebene, die seinem bewussten Zugriff entzogen war, die Ihm nicht einmal klar gewesen war, seine Entscheidungen und Taten aber über die letzten Jahrhunderte hinweg bestimmt hatte.
    »Und was geschieht jetzt?«, fragte er . Er konnte nicht über Frederic sprechen. Er wollte es nicht. Nicht jetzt und vielleicht nie.
    »Mit dir?« Meruhe rang sich Immerhin die Ahnung eines Lächelns ab. »Solange mein Blut noch In dir fließt, steht dir dieser Weg noch Immer offen. Aber du wirst Ihn nicht b e schreiten, habe Ich recht?«
    »Nein.«
    »Sagst du mir warum?«
    Warum? Es gelang Andrej nicht, zu antworten. Es gelang Ihm nicht einmal, Ihre Frage nur für sich und In Gedanken zu b e antworten. Vielleicht, weil Ihm klar geworden war, welchen Preis er für dieses vermeintliche Geschenk bezahlen musste. Er hatte daran gedacht, Abu Dun anzugreifen. Er hatte all dieses Leid und die Schmerzen und das Sterben der Menschen ring s um gesehen und gefühlt, und nichts davon hatte Ihn berührt. Er hatte geglaubt, das Ungeheuer In Ihm wäre fort, und beinahe zu spät gemerkt, dass das Gefängnis am Grunde seiner Seele nur leer war, well er Im Begriff stand, selbst zu dem zu werden, was bisher darin eingesperrt gewesen war. Der Schritt zur wir k lichen Unsterblichkeit hätte Ihn vielleicht seine Menschlichkeit gekostet.
    Aber wenn das stimmte, warum hatte Meruhe dann Ihr L e ben riskiert, um das seine zu retten?
    Ihre Blicke trafen sich, und für einen unendlich kurzen M o ment, zu schnell, um einen Begriff i n der Sprache der Me n schen dafür zu finden ... veränderte sie sich.
    Es war nicht mehr Meruhe, die er sah. Er blickte In ein G e sicht, das weder alt noch jung, weder Mann noch Frau war, schon lange nicht mehr Mensch, aber Immer noch nicht ganz Gott; ein schmales androgynes Antlitz, das alles Glück der Welt geschaut und allen Schmerz der Menschen gekostet hatte.
    Auch das kann aus ihm werden, Andrej, flüsterte Meruhes lautlose Stimme hinter seiner Stirn. Und das. Wieder zerrann Ihr Gesicht vor seinen Augen - und auch nur für ihn sichtbar - und wurde zu einem anderen Antlitz, härter, älter und verbitte r ten Und nun erkannte er
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