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Glückliche Ehe

Glückliche Ehe

Titel: Glückliche Ehe
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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nicht klar. Darum funktioniert mein Schwanz nur, wenn ich Sexszenen schreibe, schloss er und vergaß dabei völlig, dass er mit Sylvie über drei Jahre zusammengelebt hatte und durchaus in der Lage gewesen war, ein paar hundert Mal mit ihr zu schlafen.
    Ich sollte weggehen, befand er. Gar nicht hier sein. Aber wohin? Was tun? Er hatte keine Ahnung. Aber er musste aus dem Haus. Er wollte nicht da sein, wenn er zurückgewiesen wurde. Er war schon am Wandschrank, um seinen Army-Parka anzuziehen, als ihn der schlichte Gedanke aufhielt, dass er sich ja vielleicht irrte. Vielleicht würde sie ja doch anrufen. Sehr, sehr unwahrscheinlich, und wenn, dann vermutlich nur, um den Brunch höflich abzusagen, aber man wusste ja nie.
    Er rauchte fünf Zigaretten. Machte sich vier Tassen Kaffee in einer Kanne und trank alles aus. Um 11 Uhr 30beschloss er, sie nie mehr anzurufen. Um 11 Uhr 34 wählte er ihre Nummer, kam bis zur sechsten Ziffer und legte dann den Hörer so vorsichtig auf, dass diesmal kein versprengter Glockenton von seiner Feigheit kündete.
    Um 11 Uhr 52 saß er auf der Kante seines Betts, schaukelte mit dem Oberkörper und jammerte laut: »O Gott, ich verliere den Verstand, o mein Gott, ich verliere den Verstand«, als das Telefon klingelte. Er starrte es eine Sekunde verblüfft an. Das ist jemand anders, sagte er sich, und sein Herz hämmerte, als er aufsprang, zum Schreibtisch ging und auf das schrillende schwarze Ding starrte. Das zweite Klingeln war eine einzige Qual. Und wenn sie jetzt auflegte? Aber wie sollte er es ertragen, mit jemand anderem zu sprechen? Angenommen, es war sein Vater. Oder Bernard. Guter Gott, Bernard hatte recht, hatte von vornherein recht gehabt. Er spielte nicht in ihrer Liga. Er spielte noch nicht mal in Bernards Liga. Er spielte – und das war die grausame Wahrheit – in gar keiner Liga.
    Das dritte Klingeln war so durchdringend, dass er, nur damit es endlich aufhörte, den Hörer abnahm. »Hallo?«, knurrte er, damit man sich am anderen Ende der Leitung darauf gefasst machte, dass er gleich losbrüllen würde.
    »Ein gutes neues Jahr«, sagte Margaret. Als er ihre muntere, liebenswürdige, gutgelaunte, ein wenig forsche Stimme hörte, verspürte er grenzenlose Erleichterung: Novocain, das einen pochenden Zahnschmerz ausschaltete, ein heißes Bad, das schmerzende Muskeln löste, oder, treffender noch, die Umarmung einer liebenden Frau.
    »Dir auch ein gutes neues Jahr«, sagte er, und wer seine Stimme hörte, hätte ihn für den coolsten, selbstbewusstesten jungen Mann auf Gottes Erdboden gehalten. »Wie war deine Party?«, fragte er in lockerem, freundlich interessiertem Ton, während er innerlich darauf gefasst war, dass sie sagen würde, sie habe jemand Besseres kennengelernt.
    »Langweilig«, sagte sie. »Irgendwie öde. Ich wusste gar nicht, was ich da sollte. Und deine? War es die schärfste Party deines Lebens?« Sie lachte fröhlich.
    »Ich bin fast gestorben vor Langeweile«, sagte er. »Also – klappt das mit dem Brunch?«
    »Ja. Klar. Ich meine, die Mädels und ich, wir treffen uns zum Brunch, und es wäre toll, wenn du mitkämst. Aber bist du sicher, dass du mitwillst?« Dass sie zweifelte, beunruhigte ihn.
    »Ich würde total gern mitgehen. Aber wenn du sie lieber allein treffen willst, also, wenn du meinst, dass ich störe, dann verstehe ich das. Vielleicht könnten wir beide ja später zusammen essen gehen?«
    »Klar können wir später zusammen essen gehen, wenn du mich dann noch nicht satthast, aber ich freue mich, wenn du zum Lunch kommst. Die Mädels werden sich vor Aufregung gar nicht einkriegen, das wird lustig.«
    »Die Mädels werden sich vor Aufregung gar nicht einkriegen?«, wiederholte Enrique misstrauisch. Was war an ihm aufregend? Seine Unfähigkeit, eine Frau zu penetrieren? Seine Harmlosigkeit?
    »Klar. Ein fremder Mann am Neujahrstag? Sie werden ganz aus dem Häuschen sein.«
    »Dann bringen wir sie aus dem Häuschen«, sagte Enrique, und Margaret lachte, wieder mit dieser seltsamen, unerklärlichen Fröhlichkeit. Woher nahm sie diese gute Laune? Und wie sollte er ohne diese gute Laune leben? »Wann und wo?«, fragte er und betete, dass ihm Zeit bliebe, seine Garderobe noch mal zu überdenken. Er hatte natürlich eine schwarze Jeans an. Vielleicht war heute ja der Tag, mal eine blaue zu tragen?
    »Rate mal, wo«, sagte Margaret und setzte dann hinzu: »Buffalo Roadhouse. Hältst du’s aus, da noch mal hinzugehen?«
    »Und ob. Ich liebe das Buffalo
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