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Glückliche Ehe

Glückliche Ehe

Titel: Glückliche Ehe
Autoren: Klett-Cotta Verlag
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heterosexueller Mann, und er hätte allemal ein Wort darüber verlieren können, dass sie perfekt proportionierte Beine hatte, dass sie schlank war, trotzdem einen Hintern und Brüste hatte und dass – soweit Enrique sich hinzuschauen gestattet hatte – man geneigt war, angesichts dieser reizvoll geöffneten Schenkel, schmal und dennoch wohlgerundet, den Verstand zu verlieren, weshalb doch, Himmelherrgott, eine Warnung angebracht gewesen wäre.
    Enrique hatte Bernard damit aufgezogen, er solle Margaret doch mal vorzeigen, als sie wie gewohnt bei ihrem Nachmittagsfrühstück im Homer Coffee Shop saßen und Bernard wieder in einem fort von seiner tollen Freundin vonder Cornell University redete, sich aber nicht breitschlagen ließ, ihn mit ihr bekannt zu machen. (Margaret Cohen, nörgelte Enrique, welche jüdischen Eltern nennen ihre Tochter denn Margaret? Ein Einwand, der vielleicht eher überzeugt hätte, wenn er nicht ausgerechnet von jemandem gekommen wäre, der Enrique Sabas hieß und mit einer aschkenasischen Mutter selbst Jude war.) Bernard erklärte, er wolle nicht Freunde aus verschiedenen Ghettos seines Lebens zusammenbringen.
    »Warum?«, wollte Enrique wissen.
    Bernard zuckte nur die Achseln. »Ich bin eben neurotisch.«
    »Quatsch«, sagte Enrique. »Du willst nur deine ganzen sorgsam gedrechselten Betrachtungen auf verschiedene Dinnerpartys verteilen.«
    »Was für Dinnerpartys?«
    »Okay, Schüssel Chili. Aber wenn du all deine Freunde nur einzeln siehst, kannst du jeden deiner kostbaren Gedanken siebenmal ausbreiten.«
    Bernard lächelte matt. »Nein, ich habe Angst, wenn meine Freunde sich treffen, finden sie sich gegenseitig toller als mich.«
    »Du hast Angst, das fünfte Rad am Wagen zu sein?«
    »Ich habe Angst, überhaupt kein Rad zu sein.«
    Enrique konnte das aus Bernards Sicht gut verstehen, aber in seiner äußerst widerstandsfähigen Eitelkeit glaubte er, Bernards Paranoia beziehe sich nur auf ihn, weil er der Schriftsteller war, für den sich Bernard nur ausgab. Gerade mal einundzwanzig, hatte Enrique schon zwei Romane veröffentlicht, und ein dritter würde bald folgen, während Bernard mit fünfundzwanzig lediglich ein permanent umgeschriebenes Manuskript als Rechtfertigung dafür vorweisen konnte, dass er die gleiche Künstleruniform aus schwarzer Jeans und knittrigem Arbeitshemd trug wie Enrique. Der stolze Enrique glaubte, Bernard enthalte ihm seineFreunde – und insbesondere Freundinnen – deshalb vor, weil sich, wenn die Welt sie beide auf einmal sähe, neben dem wahren Kronprinzen der Literatur der falsche Thronbewerber schnell als solcher entlarven würde.
    Noch immer nicht bereit, ein Treffen zu arrangieren, erging sich Bernard weiter in unspezifischen Elogen auf Margaret. »Sie ist wirklich total außergewöhnlich. Ich kann es nicht in banale Worte fassen, aber sie ist stark und gleichzeitig feminin, intelligent, ohne prätentiös zu sein. In vielem ist sie wie die Heldinnen der amerikanischen Dreißigerjahrefilme, besonders der Schwarzen Serie, aber auch der Sturges-Komödien«, und so weiter und so fort, eine Lobesflut, die einen kirre machte, weil sie alle erdenklichen Qualitäten beschwor, ohne konkret auf irgendetwas einzugehen. Die unpräzise Beschreibung schien Enrique zu bestätigen, dass Bernard ein schlechter Schriftsteller war. Keine seiner Margaret-Geschichten kam zu einem (sexuellen oder sonstigen) Höhepunkt oder veranschaulichte ihr angeblich so außergewöhnliches Wesen. Nachdem Enrique den fünften Homer-Kaffee in sich hineingekippt hatte, verlegte er sich auf die Strategie, ihre Existenz zu bezweifeln. Es war der Montag der Thanksgiving-Woche 1975, und er hatte fast ein Jahr quälenden Zölibats hinter sich. Er erklärte diese Margaret für ein Konstrukt, eine boshafte Phantasie, die Bernard ersonnen hatte, um ihn, den einsamen, sexuell ausgehungerten Enrique, zu foltern.
    Bernard erblasste – was bei seinem bleichen, ausdruckslosen Gesicht ein ganz schönes Kunststück war. Bernard maß keine eins siebzig und war eher schmächtig, aber der große Kopf mit der schwarzen Haarkrause verlieh ihm eine stärkere Präsenz, vor allem in einer Coffee-Shop-Sitznische. Dieser Kopf wackelte kurz, ehe Bernard protestierte, dass er nie einen Genossen (gemeint: einen ebenfalls unbeweibten Mann) foltern würde. »Ich erspar’s dir nur.«
    »Du ersparst mir was ?«
    »Sie wird nie mit dir ausgehen.«
    Da er das für ein Geständnis hielt, hob Enrique die Hand, um in
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