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Gluecklich, wer vergisst

Gluecklich, wer vergisst

Titel: Gluecklich, wer vergisst
Autoren: Edith Kneifl
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hat, die Wunde war viel zu wenig tief. Daran wäre er auch sicher nicht gestorben.“
    „Und woran ist er dann gestorben?“
    „Er ist unglücklich gestürzt, hat sich die Halswirbelsäule gebrochen.“ Walpurga verbarg ihr Gesicht in den Händen und schluchzte leise.
    „Wie bitte?“, fuhr ich sie an. Einerseits war ich erleichtert, es war offenbar kein geplanter Mord gewesen. Andererseits erschien mir die ganze Geschichte etwas mysteriös. Warum war Franzi verhaftet worden, wenn bereits feststand, dass Philip bei einem Unfall ums Leben gekommen war?
    „Er ist nach rückwärts getaumelt, mit dem Hinterkopf gegen einen harten Gegenstand geprallt, wahrscheinlich gegen den Kaminsims. Die Kante war blutig, das habe ich mit eigenen Augen gesehen.“
    „Es steht also fest, dass er nicht an seiner Unterleibsverletzung gestorben ist?“, vergewisserte ich mich noch einmal.
    „Ja. Er hat sich das Genick gebrochen. Doktor Braunsperger, der früher am Tatort war als der Polizeiarzt, hat das sofort festgestellt. Franzi hat bisher jede Aussage verweigert. Deshalb hat die Polizei sie auch mitgenommen. Sie macht angeblich nach wie vor den Mund nicht auf. Ich bin gespannt, ob du sie zum Reden bringen kannst.“
    Ich bezweifelte, dass ich mehr Chancen haben würde als die geschulten Kripobeamten, doch darüber konnte ich mir am Montag den Kopf zerbrechen. Ich hatte mir von Wien aus eine Besuchsgenehmigung für die Justizanstalt Linz besorgt.
    „Meine Ehe mit Philip war eine einzige Katastrophe“, sagte Walpurga. „Dein Vater hat ihn mir bei einem Liederabend im Schloss Kammer vorgestellt. In jungen Jahren hatte Philip eine viel versprechende Karriere als Operettentenor vor sich. Er war gut aussehend, hatte Charme. Mehr brauche ich dir wohl nicht zu erzählen. Ich war seit zwei Jahren verwitwet und leider empfänglich für sein weltmännisches Gehabe und seine großspurige Art. Und ich war jung und naiv. Das ist meine einzige Entschuldigung. Ich habe nicht kapiert, dass er es in erster Linie auf das Schloss abgesehen hatte, den Gutsherrn spielen wollte, weil seine Sängerkarriere zu diesem Zeitpunkt bereits den Bach hinunterging. Als er um meine Hand anhielt, reichte seine Stimme nur mehr für Auftritte bei zweitklassigen Konzerten in der Provinz. Und er hat damals schon getrunken.“
    „Er hat gehofft, sich ins gemachte Nest setzen zu können?“
    „Ja, genau. Dass ich völlig bankrott war, hat er nicht wissen können. Mein erster Mann hat mir, außer diesem baufälligen Gemäuer, nichts als Schulden hinterlassen.“
    Dass es so schlimm um ihre Finanzen stand, überraschte mich.
    „Ich habe meine Kinder und mich selbst so recht und schlecht mit Klavier- und Französischstunden durchgebracht. Eine Zeitlang habe ich sogar Singen an unserer Volksschule unterrichtet. Solange meine Eltern lebten, haben sie mich unterstützt. Heinrich, Doktor Braunsperger, meine ich, und der Herr Pfarrer, Gott hab ihn selig, haben uns ebenfalls finanziell unter die Arme gegriffen. Seine Witwe, die Gerti, versorgt uns bis heute mit alten Sachen, die sie für arme Familien in der Slowakei sammelt. Wir dürfen uns immer die besten Stücke aussuchen. Nicht nur Franzi, auch Albert und ich tragen die Kleider anderer Leute. Und mit der überhöhten Pacht, die der Herr Pfarrer freiwillig für den Seegrund bezahlte, beglich ich jahrlang unsere horrenden Strom- und Ölrechnungen. Er war ein christlicher Mensch! Ich ließ nie was auf ihn kommen, egal, was im Dorf über ihn getratscht wurde.“
    Dass Walpurga total verarmt war, merkte man nicht auf den ersten Blick. Sie hat einfach Stil, dachte ich.
    „Philip hat seine Karriere als Operettensänger gleich nach der Hochzeit aufgegeben“, fuhr sie fort. „Aus heutiger Sicht würde ich sagen, es war höchste Zeit. Es hat ihn ohnehin keiner mehr engagieren wollen. Trotzdem hat er mir bis zuletzt vorgeworfen, dass ich seine Karriere ruiniert hätte. Wenn er betrunken war, wurde er immer aggressiv. An so manchem Abend habe ich mich mit Albert und Franzi in meinem Zimmer eingeschlossen, bevor er vom Goldenen Ochsen nach Hause gekommen ist.“
    „Er hat es gewagt, dich zu schlagen?“, fragte ich entsetzt.
    „Wenn es nur das gewesen wäre“, sagte sie. „Er hat meinen Grund und Boden in den Casinos verspielt und mein Erbe mit irgendwelchen Flittchen durchgebracht. Er hat uns ruiniert.“
    „Warum hast du das zugelassen? Warum hast du ihn nicht gezwungen, sich einen Job zu suchen?“
    Sie lachte
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