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Gluecklich, wer vergisst

Gluecklich, wer vergisst

Titel: Gluecklich, wer vergisst
Autoren: Edith Kneifl
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Franzi.
    Kaum ist er aus ihrem Blickfeld verschwunden, flüstert sie Joe ins Ohr: „Braves Bubi. Die Mami darf man nicht warten lassen …“
    „Du Lästermaul“, stöhnt Joe und kehrt ihrer Freundin den Rücken zu.

2. Kapitel
    Bevor ich mir ein neues Gesprächsthema einfallen lassen konnte, fragte Walpurga mich: „Würde es dir etwas ausmachen, wenn wir den Tee in meinem Zimmer trinken? Es ist genau hier passiert.“ Sie zeigte auf den Kamin. „Ich sehe dauernd sein blutüberströmtes Gesicht vor mir.“
    „Hat Franzi ihn tatsächlich umgebracht?“
    Sie antwortete nicht.
    „Wie ist er denn nun wirklich umgekommen? Ist er erschlagen oder erstochen worden?“, fragte ich hartnäckig.
    „Der Schürhaken steckte in seinem Unter…, in seinem Bauch“, murmelte sie.
    „Was heißt Bauch? Jemand hat seine Eier aufgespießt, hat zumindest mein Vater behauptet“, unterbrach ich sie.
    „Nicht jetzt, Joe, bitte!“
    Obwohl ich mich plötzlich hellwach fühlte und den Tatort gern näher in Augenschein genommen hätte, folgte ich Walpurga ins ehemalige Esszimmer, in dem wir an kühlen Tagen immer an einem riesigen Tisch gesessen waren.
    Es sah vollkommen anders aus als früher. Walpurga hatte nicht nur die alte zart geblümte Tapete durch eine champagnerfarbene ersetzt, sondern die gesamte Einrichtung entfernt und den Raum mit modernen, hellen Möbeln als Arbeitszimmer eingerichtet. Selbst die Vorhänge waren in einem freundlichen grünen Farbton gehalten. Der riesige Luster, der früher über dem Esstisch hing, hatte einer weißen Glaskugel Platz machen müssen. Auf dem hübschen schwarzen Jugendstilschreibtisch entdeckte ich eine alte Messinglampe mit grünem Schirm, die mir genauso bekannt vorkam wie die Bilder an den Wänden. Walpurga hatte für ihr Zimmer ein paar romantische Landschaften, meist Ansichten vom Attersee, gewählt. Die unappetitlichen Stillleben, über die Franzi und ich uns beim Essen oft lustig gemacht hatten, waren verschwunden.
    „Was möchtest du morgen essen?“, fragte Walpurga, als wir es uns in den Fauteuils gemütlich machten, die dicht beim dunkelgrünen Kachelofen standen.
    „Egal, ich esse, was auf den Tisch kommt. Ich bin nicht heikel, wie du weißt.“
    Ich befürchtete, sie würde mir gleich alle Gerichte aufzählen, die ich als Kind standhaft verweigert hatte. Doch sie schien meine Essprobleme vergessen zu haben.
    „Isst du nach wie vor so gerne Fisch?“, fragte sie.
    Als Kind hatte ich keinen Fisch gegessen. Heute liebte ich ihn. Ich nickte erleichtert.
    „Unser Fischer hat sich leider seit ein paar Tagen nicht blicken lassen, aber ich habe Forellen in der Tiefkühltruhe. Ich müsste sie heute Abend rausnehmen. Erinnerst du mich bitte daran, bevor wir zu Bett gehen?“
    „Der alte Fischer lebt noch? Der muss bald an die neunzig sein. Er kam mir damals schon steinalt vor.“
    „Er ist seit einem Jahr unter der Erde oder besser gesagt, er leistet nun seinen geliebten Fischen Gesellschaft. Sein Sohn, der Heinzi, hat seinen letzten Willen respektiert und, obwohl es illegal ist, die Asche seines Vaters mitten am See verstreut. Doch nun ist auch er von einer Ausfahrt nicht zurückgekehrt. Ein Spaziergänger hat vor ein paar Tagen das leere Ruderboot entdeckt, wie es Richtung Agerbrücke getrieben ist. Polizei und Taucher haben sich sofort auf die Suche nach ihm gemacht. Sie haben ihn bis heute nicht gefunden. Er ist etwa eine Woche, nachdem Philip starb, verschwunden.“
    Da ich diese Geschichte bereits kannte, fragte ich, nachdem sie mir Tee eingeschenkt hatte: „Magst du mir jetzt erzählen, was an diesem schrecklichen Abend passiert ist?“
    Sie goss sich selbst Tee ein und nahm zwei Löffel Zucker. Der Löffel kreiste eine ganze Weile in ihrer Tasse, bevor sie endlich zu reden begann: „Philips Tod war mehr oder weniger ein Unfall.“
    „Das wird die Polizei zu entscheiden haben“, unterbrach ich sie.
    „Franzi und Philip hatten einen schrecklichen Krach. Wahrscheinlich sind sie sogar handgreiflich geworden.“
    Das nehme ich wohl an, dass sie Hand an ihn gelegt hat, er hat sich den Schürhaken nicht selber in den Unterleib gerammt, dachte ich, unterbrach sie aber nicht mehr.
    „Franzi hat sich bestimmt nur verteidigt. Sie war Philip körperlich nicht gewachsen. Ich könnte mir vorstellen, dass sie, als er sich auf sie stürzte, den Schürhaken schützend vor sich gehalten hat. Meiner Meinung nach hat er sich selber aufgespießt. Ich glaube nicht, dass sie zugestochen
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