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Girls Game

Girls Game

Titel: Girls Game
Autoren: Bernd Bitzer
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Nürnberg. Zugegeben… ich war nicht nur ein bisschen nervös, da sich meine Ausgewählte recht fix als „praktizierende Sklavin“ geoutet hatte. So trat ich mit recht gemischten Gefühlen an, traf auf ein rundum erfreuliches Mädchen, zog mit ihr ganz entspannt durch Nürnbergs Innenstadt und einschlägige Sexshops, bewunderte kiloschwere Halsreifen und anderes restriktive Zubehör und konnte das, was sie mir nebenbei aus „ihrer Szene“ erzählte, zwar hören, aber nicht einmal ansatzmässig erfassen. Praktiken und Rituale, die sich selbst meiner blühenden Phantasie entzogen, schwarze Messen und mittelalterliche Feste auf gemieteten und hermetisch abgeriegelten Burgen und Schlössern. Eine bizarre Welt, die mich wesentlich mehr abstiess, als anzog. Doch der eigentliche Grund für mein Adieu in derselben Nacht war deutlich profaner: Ich konnte mit der Verantwortung nicht umgehen, die sie mir völlig freimütig übertragen hätte. Eigentlich eine männliche Wunschvorstellung der allerersten Kategorie: eine Frau, die völlig freiwillig alles nur Denkbare anbot. Ohne jede Einschränkung, ohne jedes Tabu. Zu jeder Zeit, an jedem Ort. Sofort und ohne nachzudenken.



Verrückt!
    Unglaublich!
    Aber es war mir einfach zuviel.
    Dass ich im äusserst intensiven Gespräch tagsüber und in vielen Briefen danach ein ganz anderes Kapitel in ihr aufschlagen konnte, hat mich dann ein wenig aufgerichtet. Irgendwie hatte ich das Gefühl und nicht nur die Vermutung, dass sich hinter ihrer sklavischen Unterwürfigkeit ein ganz andere, versteckte Kraft verbarg, die nur aktiviert werden musste. Tja, sie ist heute eine zufrieden praktizierende Domina, die wirklichen Spass und einen einträglichen Job gefunden hat…
    Ich könnte so stundenlang weitererzählen. Tagelang.
    Denn die meterlangen Lebensgeschichten, Chat-Texte und Liebesbriefe auf Bildschirmen und Papier würden problemlos ein weiteres Buch füllen. Oder zwei. Wenn da nicht diese eine Geschichte passiert wäre.
    Wieder mal meine eigene.
    Wieder mal ein süsser Briefwechsel, wieder mal ein paar hundert Kilometer bis zum vereinbarten Treffpunkt. Doch dann ein unglaublich intensives Gespräch auf der Terrasse eines Basler Luxushotels, das so federleicht, so ungezwungen lief, dass wir nach rund siebzehn Stunden nicht nur unser beider Lebensgeschichten im Detail ausgetauscht hatten… sondern auch „Marlene“ von Anfang an unser gemeinsames Thema war. Und das, nachdem über 30 Jahre lang nur zwei Mädels von meinem Doppelleben wussten. Mein allererstes „Outing“. Kein Problem. Kein bisschen.
    In den nächsten Monaten führte mich mein Weg immer häufiger in die Schweiz, nach Basel in Natalies blitzsauberes Kosmetikstudio, irgendwann über unsere gemeinsame Kochleidenschaft auch in ihr Herz, wenn auch nur zeitweilig. Wir passten auf Dauer nicht wirklich zusammen. Aber das in allerbester Freundschaft und inniger Verbundenheit.



Doch das passte Marlene umso mehr.
    Die herrlich unkomplizierte Atmosphäre und die Zuneigung meiner neuen Schweizer Freundin liessen meinem weiblichen Part freien Lauf. Ich fühlte mich unglaublich zuhause, wurde erst von Töchtern, dann von Müttern, von Familie zu Familie „weitergereicht“, eine begeisternde Begegnung folgte der nächsten. Ich war mehr als sehr… glücklich.
    Es war eine Menge in Bewegung geraten – das spürte ich deutlich. So unüberschaubar viel, dass ich irgendwann in dieser Zeit beschloss, das alles irgendwie in eine – für mich überzeugten Wortmenschen – umgängliche Form zu packen.
    Ein Buch eben.
    Dieses hier.
    Und mit jeder Seite, mit jedem Tag wurde Marlene in mir stärker. Was über Jahrzehnte buntes Doppelleben an Wochenenden war, wuchs in relativ kurzer Zeit über mich hinaus. So lief die erste Fassung meines „Dramatischen Epilogs“ dann auch weitaus dramatischer als diese hier. Aber schön der Reihe nach…
    Meine Schweizer Monate hatten einen Entschluss in mir reifen lassen, intensive Recherchen die allesandere als beruhigende Basis geliefert – eine Entscheidung stand an: Marlene oder ich. Die Entscheidung fiel in durchwachten Nächten, an den Tasten irgendeines Rechners. Ohne wirklich darüber nachzudenken.
    Marlene.
    Also los! Ich stellte alle Weichen, bestellte, was notwendig war in halb Europa, durchforstete meterlange Dissertationen und komplexe Operationsanweisungen bis ins unappetitliche Detail und gab mir schliesslich den Rest: rund zwei Jahre bis zum endgültigen, unumkehrbaren Wendepunkt,
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