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Girls Game

Girls Game

Titel: Girls Game
Autoren: Bernd Bitzer
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weggelächelt wird. Dann istDiana zufrieden und nimmt zwei Modelle in Planung: einmal enge Röhre, einmal unten weit: Marlene-Dietrich-Style.
    Ich bin sofort begeistert und kann die erste Anprobe kaum erwarten. Die wird dann wie insgeheim befürchtet: gnadenlos offenbaren die beiden blauen Teufelswerke jedes verfluchte Gramm, das ich zwischenzeitlich unerlaubt zugefuttert habe. Diana hat perfekt und passgenau gearbeitet und keinerlei Dehnfugen vorgesehen. Nur das Material hat ein wenig mehr Verständnis mit meiner geschundene Geniesserseele und spannt sich besänftigend über meine wenigen, winzigen Pölsterchen.
    Und weg sind sie…
    Meiner Seel‘, fühlt sich das gut an! Jetzt kann ich nachfühlen, wieso verzweifelte Mädels ihre gerissenen Lieblings-Jeans sogar nach New York zum Jeans-Doc in Reparatur schicken. Kann Diana übrigens alles auch – nur schneller und wesentlich günstiger.
    Eine meiner beiden neuen, ständigen Begleiterinnen behalte ich gleich an. Und falls Sie mir demnächst begegnen sollten, haben Sie einen Grund mehr, einen knackigen Po zu bewundern.

Nicht lächeln!
    Nicht lächeln!“ Fotograf Claus ist unerbittlich. Dabei kann ich gar nicht anders. Der ganze Tag bringt mich zum Lachen, ach was – alle meine Tage lächeln. Und jetzt, in dem Moment, der mich meinem Ideal, meiner Zweitnamensgeberin Marlene so nahe bringt wie niemals zuvor, geht es mir einfach nur gut.
    „Nicht lächeln!“ Mitten im riesigen nachtschwarzen Studio, belagert von gewaltigen Lichtwerfern, Originale aus dem Filmstudio Babelsberg, die vielleicht schon Marlene Dietrich ins rechte Licht gerückt haben, versuche ich verzweifelt, meine Mundwinkel unter Kontrolle zu bekommen. Alles passt: Frack, weisses Hemd, weisse Handschuhe, Zylinder, High Heels, Zigarette. Als ob des Fotografen unerschöpfliche Requisitenkammer nur auf mich gewartet hätte. Der Qualm der Zigarette beisst in der Nase und prompt startet ein, noch nie beachtetes Nervenende am linken Nasenflügel seinen kitzelnden Nebenjob.
    Es juckt fürchterlich! Ich muss kratzen! Sofort! Ich darf nicht! Auf keinen Fall! Viel zu viel kunstvolle Schminke. Weisse Handschuhe! Die stundenlange Arbeit der Visagistin steht sekundenlang auf dem Spiel.



Nicht lächeln!!!
    Was hätte Marlene jetzt gemacht? Wie hätte eine echte Diva gefühlt, gedacht, gehandelt? Eine unglaubliche Frau, die mitten auf dem Höhepunkt der Naziherrschaft eine Einladung Joseph Goebbels mit den Worten ausgeschlagen haben soll: „Da speise ich doch lieber mit meinem Hund!“ Das ist mein Einstieg. Hitlers Reichskanzlei!
    Mein Kopfkino rattert ruckartig los, an den dunklen Studiowänden erwachen riesige Säulenmonster, düstere Hakenkreuz-Embleme, überall glatter, kalter Marmor. Vor der schweren Tür bellen Befehle, knallen Hacken… mir wird eisig. Jetzt nur keine Angst zeigen. Kälte mit noch mehr Kälte begegnen, glasharte Arroganz schafft ein wenig Abstand zum plötzlich gefühlten, nackten Grauen, das mich anfällt wie ein bösartiger, bissiger Köter.
    „Gut so, genau so“. Was? Ist noch jemand hier? Wo bin ich? Das gedämpfte Knallen der Blitzanlage lässt die Wirklichkeit nur kurz durch, verstärkt die unheimliche Szenerie sogar noch. Marlene ist um mich. Ist mit mir. Wie so oft. Diese ungeheuer mutige Frau, die sich einfach entschloss, mitten im Krieg hinter der Front für amerikanische Soldaten zu singen und dabei mehrfach fast erschossen worden wäre. Die dafürso ziemlich alle alliierten Orden und Ehrenzeichen erhielt und darüber kaum ein Wort verlor.
    Ahhh, doch… ein paar Worte schon. Als sie für einen amerikanischen Militärsender in Nordafrika „Lilli Marleen“ singen sollte und plötzlich ins Mikrofon rief: „Jungs! Opfert euch nicht! Krieg ist doch Scheisse und Hitler ist ein Idiot!“ Auch dafür bin ich jede Minute stolz auf meine Namenspatronin. Was für eine Frau!
    „Schaust Du mal?“ Ich brauche Minuten, um wieder in die Gegenwart zu finden. Und noch länger, um aus meiner düsteren Nazi-Gedankenhöhle wieder zurück auf den Boden der Studiowirklichkeit zu krabbeln. Benommen schwanke ich zum fahl strahlenden Kontrollmonitor, aus dem mir jemand einen Blick entgegenwirft, der mich sofort wieder erschauern lässt.
    Mein Gott, das kann doch nicht sein – das bin dann wohl auch ich?
    Und bekomme noch heute jedes mal Gänsehaut, wenn sich unsere Blicke begegnen.
    Geht aber wohl nicht nur mir so.
    Danke Marlene!

Im Rampenlicht
    Die geräumige Aufhübsch-Abteilung in
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