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Girl

Girl

Titel: Girl
Autoren: David Thomas
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darf?«
    »Etwa einssiebzig«, sagte ich.
    »Tatsächlich? Ich hätte auf ein paar Zentimeter weniger getippt. Nun denn, das bewegt sich immer noch im erträglichen Rahmen, und ausserdem sind Sie von Natur aus mit einem hellen Teint und spärlichem Bartwuchs ausgestattet. Da sollte es keine Probleme geben.«
    Ich verstand nichts mehr. Mein Leben lang hatte man mich wegen meiner geringen KörperGröße aufgezogen. Und dann dieser ewige Dünnschiss, den ich mir von den Jungs in der Schule anhören musste, weil ich mich nicht so oft wie sie zu rasieren brauchte. »Worauf wollen Sie hinaus? Wollen Sie etwa andeuten, ich sei kein richtiger Mann? Mit so was brauchen Sie mir erst gar nicht zu kommen. Ich darf Sie darauf hinweisen, dass ich dreimal die Woche ins Fitnessstudio gehe. Ich stemme auf der Bank fünfzigmal die vierzig Kilo, und mit den Beinen schaffe ich spielend zweihundertfünfzig Kilo.«
    Also gut, ich übertrieb damit ein bisschen. Aber ich denke nicht, dass Mandelson mich deshalb so voller Skepsis anstarrte. Er schnaubte kurz durch die Nase und nagte wieder an seinem Brillengestell.
    »Wollen wir uns die Sache mal näher ansehen«, sagte er, während er sich über mich beugte, mich am Kinn packte und mein Gesicht hin und her drehte.
    »Wir müssen natürlich ein wenig Rhinoplastik in Erwägung ziehen – Sie würden das als Nasenkorrektur bezeichnen ein klein wenig Stupsnase würde Ihrem Gesicht zweifellos einen femininen Touch geben, vielleicht die Augenbrauen eine Spur hochziehen, und die Wangenknochen schärfer akzentuieren. Jawohl… wir könnten aus Ihnen im Handumdrehen eine hübsche kleine Lady machen.«
    Und da musste ich zum ersten Mal seit Beginn dieser unseligen Geschichte weinen. Ich lag da in dem gerüschten, weißen Baumwollnachthemd meiner Schwester, das meine sämtlichen Verbände verdeckte, und heulte mir die Seele aus dem Leib.
    »O Scheiße, o Gott, o Dreck …«, brüllte ich. »Ich bin kein Mann mehr. Ich bin eine Tussie. Ich bin ne Mieze, ne Schnalle, ne Sahneschnitte … ne …«, mir fiel nichts mehr ein. »Ich bin ein gottverdammtes Mädchen.«
    »Machen Sie sich nichts draus«, sagte Jackie, »ich bin’s schon immer gewesen. Und es hat mir nie wehgetan.«
    17. November
    Also die ›Sun‹ ging wirklich in die vollen. Gleich auf der Titelseite prangte in grossen fetten Lettern:
    HILFE, ICH BIN EINE FRAU! SKANDAL EINER UNFREIWILLIGEN ENTMANNUNG. DAS OPFER, BRADLEY BARRETT (25), ERZÄHLT DIE GANZE GESCHICHTE.
    Auf dem nebenstehenden Bild hielt ich beide Hände an meine Brüste. Schliesslich hatte man mir geraten, sie regelmässig zu massieren, damit das Silikon nicht verhärtete. Und die verdammte Gloria Tremble begann ihre Story mit den Worten:
    »In seinem Bett im Londoner St. Swithin’s Hospital liegt Bradley Barrett und betastet zärtlich seine brandneuen Brüste. ›Die haben mir einen Busen verpasst, dass es mir fast die Haut sprengt‹, murmelt er in einer tiefen, erotischen Stimme, um die ihn Greta Garbo beneidet hätte.
    Bradley, 25, blonde Haare und blaue Augen, das Opfer der Geschlechtsumwandlung, die das ganze Land in Atem hält, fährt fort: ›Mum und Dad waren gerade zu Besuch. Aber meine Schwester Kate ist in Manchester geblieben. Ich glaube, sie ist neidisch, weil ich jetzt besser bestückt bin als sie!‹
    Aber sein Lächeln kann die eigentliche Tragödie nicht verbergen. Der begeisterte Sportler Bradley, der vor zwei Jahren in London eine glanzvolle Karriere in der Medien Branche begann, ist für sein Leben verstümmelt.
    Die Ärzte am St. Swithin’s glauben, Bradley könne nicht darauf hoffen, dass seine Männlichkeit wiederhergestellt wird. Laut Auskunft von Rechtsexperten steht ihnen eine gepfefferte Kunstfehlerklage ins Haus.
    Der gesundheitspolitische Sprecher der Opposition äusserte gestern Abend harte Kritik: ›Dies ist wahrscheinlich der grausamste Einschnitt ins Gesundheitswesen. Aber nach den massiven Kürzungen im Gesundheitsetat durch die Regierung haben wir genau so etwas erwartet.
    Die Gesundheitsministerin Virginia Bottomley sagte nach einer Fragestunde im Unterhaus: Selbstverständlich empfinde ich tiefstes Mitgefühl für Mr. Barrett und seine Familie, aber ich kann versichern, dass ihm die bestmögliche Behandlung zuteilwerden wird, sei er nun männlich oder weiblich. Unter dieser Regierung gibt es keine Diskriminierung.‹
    Die Freunde von Bradley Barrett lassen kein gutes Haar an dem Krankenhaus. Sein Mitbewohner, Mike Watson, 26,
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