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Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Titel: Gillian Shields - Der Zauber der Steine
Autoren: Band 3
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ihr folgten. Velvet trottete gelangweilt hinter Miss Scratton her, und auch ich versuchte möglichst desinteressiert zu wirken. Aber so unvermittelt auf das Porträt von Agnes zu stoßen hatte mich aus dem Konzept gebracht.
    Für mich war sie nicht nur einfach ein Stück würdevoller Geschichte, an das man sich in Ehrfurcht erinnern konnte. Für mich war sie real. Agnes war Evies Verbindung zur Vergangenheit, und sie war unsere mystische Schwester, die das vierte Element verkörperte: das Feuer. In ihren meergrauen Augen hatte eine unmissverständliche Warnung gelegen: Obwohl wir den Kampf im letzten Halbjahr gewonnen hatten, war er noch nicht vorbei.

Zwei
    I ch wollte nicht nach Wyldcliffe kommen. Ich bin bereits von sechs Schulen geflogen, und wahrscheinlich werden Sie mich hier auch rausschmeißen.« Velvet blickte Miss Scratton angriffslustig über den Mahagoni-Schreibtisch hinweg an. Wir waren im Arbeitszimmer der High Mistress, dessen Wände mit Büchern bedeckt waren. Ich fragte mich, ob Velvet mit ihrem aggressiven Verhalten über ihre Einsamkeit hinwegtäuschen wollte, doch als sie sich jetzt lässig im Besucherstuhl zurücklehnte und die Beine übereinanderschlug, machte sie einen ausgesprochen selbstzufriedenen Eindruck. Ihre tiefe Stimme klang rau, und ihr Tonfall war eher amerikanisch als englisch.
    »Nun ja, deine Eltern haben mir bereits über deine bewegte Schullaufbahn berichtet, Velvet«, antwortete Miss Scratton. »Hoffen wir, dass die Disziplin, der geregelte Tagesablauf und die Traditionen in Wyldcliffe dir die so nötige Sicherheit geben werden. Wenn du Schwierigkeiten mit dem Eingewöhnen haben solltest, kannst du dich an mich oder an Sarah wenden. Sie wohnt im gleichen Schlafsaal wie du und ist bereits seit fast fünf Jahren in Wyldcliffe. Sarahs Mutter war auch schon Schülerin hier, genau wie ihre Großmutter, Lady Fitzalan, und sie weiß alles über die Gepflogenheiten der Schule.«
    Als sie den Namen meiner Großmutter hörte, blitzte auf Velvets verkniffenem Gesicht ein Hauch von Überraschung und Interesse auf. »Hat hier etwa jeder einen Titel? Das ist ein ziemlich versnobter Schuppen, was?«
    »Wir sind glücklich darüber, Töchter aus den altehrwürdigsten Familien des Landes erziehen zu dürfen. Aber wir sind darüber hinaus davon überzeugt, dass jeder die Werte erwerben kann, die eine echte Lady auszeichnen: Selbstlosigkeit, Loyalität und Ehre. Wir interessieren uns für den Menschen und nicht für seine Ahnentafel.«
    »Tja, meine macht auch nicht viel her«, meinte Velvet amüsiert, »mein Vater verbrachte seine Kindheit in den Slums, und meine Mutter war erst sechzehn, als ich zur Welt kam. Aber die beiden haben immerhin etwas, was Ihre aufgeblasenen Ladys hier nicht vorweisen können: Talent!«
    »Dann können wir ja hoffen, dass du etwas davon geerbt hast. Wyldcliffe bietet viele Möglichkeiten, sich der Musik zu widmen.«
    »Sie haben es nicht kapiert, oder? Mein Vater ist Rick Romaine, der größte Rockstar dieses Planeten! Ich habe mit ihm eine Hitsingle aufgenommen, als ich zwölf war, und ich werde nicht in irgendeinem spießigen Schulchor singen. Ich werde überhaupt nichts tun, was ich nicht will, und Sie können mich zu nichts zwingen.«
    Miss Scratton hielt Velvets provozierendem Blick einen Moment stand, dann seufzte sie. »Wir wollen dir und deinen Eltern nur helfen, Velvet. Du weißt hoffentlich, dass dich keine andere seriöse Schule mehr aufnehmen würde. Wyldcliffe könnte somit deine letzte Chance sein.«
    »Na und? Vielen Dank für Ihre Güte und so weiter, aber je früher ich aus diesem alten Kasten wieder rauskomme, desto besser.«
    »Wir werden sehen«, entgegnete Miss Scratton ruhig. »Sarah, würdest du Velvet bitte die Schule zeigen? Und dann bringst du sie in den Schlafsaal. Sie muss noch die Schuluniform anziehen, bevor es zum Abendessen klingelt.«
    Ich bemerkte, dass Velvets Gesicht wieder diesen rebellischen Ausdruck bekam, und zog sie schleunigst aus Miss Scrattons Arbeitszimmer, bevor sie eine weitere Szene machen konnte. Wir waren kaum draußen, da bedachte sie mich mit einem charmanten Lächeln, aber ich fühlte, dass sie wieder nur eine Pose ausprobierte.
    »Tut mir leid, dass ich deine ach so geliebte Schule miesmache«, sagte sie lachend, »aber ich muss rechtzeitig damit anfangen, wenn ich mein Ziel erreichen will.«
    »Was meinst du damit?«
    »Wenn ich richtig Stunk mache, wird es wohl nicht mehr als vier Wochen dauern, bis sie mich
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