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Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Titel: Gillian Shields - Der Zauber der Steine
Autoren: Band 3
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Evie, Luft für Helen und Erde für mich, und dass diese Kräfte der Natur schließlich geholfen hatten, Sebastians Seele zu retten. Und auch die Tatsache, dass Sebastian letzten Endes von uns gegangen war und Evie mit dem Schmerz einer hoffnungslosen Liebe zurückgelassen hatte.
    Gesprächsstoff gab es also genug. Wir hatten gemeinsam Verluste erlitten und dem Tod ins Auge gesehen. Evie hatte ihre erste Liebe verloren, und Helen trauerte um ihre Mutter. Und ich litt mit ihnen. Ich hatte wie immer all meine Kraft aufgebracht, sie zu verstehen, mit ihnen zu fühlen und mich um sie zu kümmern. Doch um ehrlich zu sein: Als ich mich am Ende des Halbjahrs von ihnen verabschieden musste und nach Hause fuhr, fühlte ich mich verloren und entwurzelt. Als würde ich ohne Evie und Helen und ihre Probleme nicht existieren, als ob ich nur am Rand meines Lebens entlangwandern würde. Sarah, die Nette, die Hilfsbereite … Doch wenn es niemanden gab, der meine Hilfe brauchte, was sollte ich dann tun?
    Und dann hatten die Träume begonnen.
    Jede Nacht die gleichen, immer und immer wieder. Ich war in einer finsteren Höhle, Fackeln spendeten spärliches Licht. Jemand war in meiner Nähe. Wir sahen uns an. Es war jemand, der mich kannte, durch und durch. Jemand, vor dem ich keine Geheimnisse hatte. Jemand, der mich liebte. Nicht deswegen, weil ich hilfsbereit und stark war, sondern nur um meiner selbst willen, so wie ich war, mit guten und schlechten Seiten. Ich wollte ihn küssen, ich sehnte mich nach seinen Lippen, und dann plötzlich der Schock: Das Gesicht verwandelte sich in eine schrumpelige Maske. Da war ein Messer. Ich hatte Schmerzen. Dichter Rauch hüllte mich ein. Musik und Gesang waren zu hören und der Klang von Trommeln, es trommelte in meinem Kopf, lauter und lauter, bis ich dachte, ich würde den Verstand verlieren.
    Vielleicht war das nur eine Reaktion auf all das, was ich mit Evie und Helen erlebt hatte, aber ich war sicher, dass es ein unheilvolles Omen war, ein Zeichen drohender Gefahr. Was auch immer es sein mochte, die Träume und die Finsternis zogen mich nach Wyldcliffe zurück, und ich sehnte mich danach, meine Freundinnen wiederzusehen. Deshalb war ich von Velvet Romaines schrillem Auftritt gar nicht begeistert, der den Alltag in der Abteischule durcheinanderzuwirbeln schien.
    Da stand sie und posierte neben ihrem Luxusschlitten. Die Stimmen der Fotografen überschlugen sich: »Velvet! Ja, genau! Schenk uns ein Lächeln!« Aber sie lächelte nicht, im Gegenteil, sie wirkte wütend. Ihr tiefschwarzes Haar war zu einer Kleopatra-Frisur geschnitten, und sie strahlte eine bedrohliche Sinnlichkeit aus, genau wie ein klassischer Filmstar. Ihre nicht enden wollenden Beine wurden von dem Minirock kaum verdeckt, dazu trug sie verschlissene Netzstrumpfhosen und sündhaft teuer aussehende schwarze Schnürstiefel. Die Wyldcliffe-Schülerinnen dagegen trugen triste grau-rote Schuluniformen und starrten Velvet ungläubig an. Ich fragte mich, wie Velvet wohl aussehen würde, wenn die Lehrerinnen ihr die Designerklamotten, den dicken Eyeliner und den Gruftilippenstift erst einmal abgenommen hätten. Doch in diesem Augenblick hatte sie ihren großen Auftritt, machte einen Schmollmund für die Fotografen und gab sich temperamentvoll und rebellisch. Welche Geheimnisse aus der Vergangenheit Wyldcliffe auch verbergen mochte, so etwas hatte es sicher noch nicht gegeben. Mich erinnerte Velvet an ein in die Enge getriebenes Tier, das trotzig ein letztes Mal die Zähne zeigt, bereit, jeden zu attackieren, der sich ihm in den Weg stellt.
    »Ist sie das wirklich?«, flüsterte Camilla Willoughby-Stuart, ein Mädchen aus meiner Klasse. »Velvet Romaine?«
    »Sieht so aus.«
    »Was macht sie hier? Lebt sie nicht in L. A. oder so? Sie wird sich in Wyldcliffe bestimmt zu Tode langweilen, wo sie doch sonst auf diesen Megapartys mit Filmstars und Rockstars unterwegs ist. Das steht schließlich in allen Zeitschriften. Und letztes Jahr ist sie mit einem Typen durchgebrannt, doppelt so alt wie sie …«
    Andere Geschichten über Velvet Romaine tauchten in meiner Erinnerung auf. Allem Reichtum und Glamour zum Trotz hatte sie auch schon die Schattenseiten des Lebens kennengelernt. Ich erinnerte mich daran, dass sie in einen schweren Autounfall verwickelt gewesen war, bei dem ihre Schwester getötet wurde. Und dann gab es da noch die Sache mit dem Feuer in dem Internat, in dem sie zuletzt gewesen war, aber da wusste ich nichts Genaueres.
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