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Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Titel: Gillian Shields - Der Zauber der Steine
Autoren: Band 3
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alle stark sein musste. Manchmal genügt es schon, nur für sich selbst stark zu sein. Und sich stützen zu lassen wie eine Kletterrose, die sich an einem Gerüst nach oben rankt, der Sonne entgegen. Es war meine Wahl, meine Entscheidung. Ich hatte so viel gelernt, und trotzdem würde es lange Zeit dauern, bis die Wunden verheilt waren. Ohne Miss Scratton war Wyldcliffe wieder kalt und düster und gefährlich, so wie all die Jahre zuvor.
    »Ich sagte, dass Miss Scratton doch wirklich nett war. Ehrlich, Sarah, hörst du mir überhaupt zu?«, beschwerte sich Sophie.
    »Wie? Oh, ähm … nein«, stammelte ich, »sie war kein böser Mensch.«
    Sophie faltete die Zeitung auf und begann den Artikel vorzulesen.
    » SCHULDIREKTORIN BEI SCHRECKLICHEM UNFALL GETÖTET . Die Direktorin der Wyldcliffe Abteischule für junge Ladys wurde bei einem Verkehrsunfall getötet, an dem ein Hirsch und ein Minibus beteiligt waren. Das Tier kreuzte direkt vor dem Fahrzeug die Straße, das auf nasser Fahrbahn ins Schleudern geriet. Die Schülerinnen und der Fahrer erlitten bei dem Unfall nur leichtere Verletzungen. Die Gruppe war zur St. Martin’s Academy unterwegs, um eine gemeinsame Veranstaltung vorzubereiten.
    Dieser Unfall war nicht der einzige tragische Zwischenfall in Wyldcliffe Abbey in den vergangenen Monaten. Die frühere Oberste Mistress, Celia Hartle, wurde in der Nähe der Schule tot in den Moors aufgefunden. Ein Fall, der für die ermittelnden Beamten noch immer ein Rätsel ist. Nach diesem Vorfall nahmen einige Eltern ihre Töchter von der renommierten Schule, die landesweit einen hervorragenden Ruf unter wohlhabenden Familien genießt. Die erst vor kurzem als Oberste Mistress ernannte Miss Miriam Scratton …«, Sophie verzog das Gesicht, »ich wusste gar nicht, dass sie so hieß.«
    »Das war nicht ihr richtiger Name«, sagte ich leise, »niemand kannte ihren richtigen Namen.«
    »Na gut«, Sophie las weiter, »Miss Miriam Scratton hatte ein Modernisierungsprogramm in der äußerst traditionellen Schule angekündigt. Eine Lehrerin, die nicht genannt werden möchte, sagte: ›Ich hoffe, ihre Pläne werden umgesetzt. Wir müssen die Schule in die Moderne führen. Miss Scrattons Tod ist ein großer Verlust.‹ Andere wiederum standen Miss Scrattons Plänen eher kritisch gegenüber und werden sicherlich dafür stimmen, die Traditionen zu bewahren. Wyldcliffe Abbey blickt auf eine bewegte Geschichte zurück. Um die Schule ranken sich viele Legenden, darunter auch die Geschichte über den Geist von Lady Agnes Templeton. Es heißt, sie würde eines Tages zurückkehren, wenn Wyldcliffe Gefahr droht … Oh, meinst du, das stimmt?«
    »Sei nicht albern, Sophie«, sagte ich, »wie soll denn jemand von den Toten zurückkehren?«
    »Wohl kaum. Und schau mal, hier steht auch etwas über Velvet. Es heißt: ›Der letzte Neuzugang in Wyldcliffe war Velvet Romaine …‹ und da ist auch ein Foto von ihr. Sarah? Wohin gehst du?«
    Ich konnte nicht länger sitzen bleiben und zuhören, ohne mich zu verraten. Mein Wyldcliffe war ein anderes als das von Sophie, und ich wollte nicht, dass sie jemals die Wahrheit erfuhr. »Mir ist gerade etwas Wichtiges eingefallen«, sagte ich rasch, »ich muss gehen, wir sehen uns später.«
    Ich trat aus dem Raum hinaus in den roten Flur. Es war Sonntagnachmittag, und in der Schule herrschte eine schläfrige Atmosphäre. Evie war mit Josh zu einem Ausritt aufgebrochen, und Helen war in der Bibliothek und schrieb an ihren Vater. Und ich würde mich in einigen Minuten mit Cal bei den Ställen treffen. Und draußen, auf dem Blackdown Ridge, war ein verbitterter Geist gefangen, bei den Menhiren, ein Zeugnis längst vergessener Götter. Mrs Hartles verlorene Seele würde in der Verbannung vom Zahn der Zeit zernagt, zerfressen von der Gier, eines Tages mit ihrer Sklavenarmee wieder zurückzukehren und uns alle zu zerstören. Aber wir hatten uns, und wir hatten die Erinnerung an »Miriam Scratton«, und wir hatten Hoffnung. Und die würden wir nie verlieren.
    Zwei schlecht gelaunt wirkende Mädchen im Tennisdress waren unterwegs in den Gemeinschaftsraum.
    »Das ist so ungerecht«, beschwerte sich die eine, »es tut mir wirklich leid um Miss Scratton und so, aber was wird jetzt aus dem Ball? Alle sagen, er würde ausfallen.«
    »Und die Jungs aus St. Martin’s sind so was von heiß …«
    Sie gingen weiter. In ihren Augen war der abgesagte Ball die größte vorstellbare Tragödie. Sie standen auf der anderen Seite, wie
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