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Gilgamesch - Der Untergang

Gilgamesch - Der Untergang

Titel: Gilgamesch - Der Untergang
Autoren: Andreas Geist
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Mittel. Das Rätsel blieb ein Rätsel, aber da im folgenden Jahr ein weiteres Massensterben ausblieb, zerbrachen sie sich nicht weiter die Köpfe. Ein Jahr später ereilte mehrere große Schwärme das gleiche Schicksal auf dem Weg nach Süden. Sie waren allerdings gegen einen Berghang geprallt und lagen zu Tausenden tot über das Geröll verstreut. Es war ein gespenstischer Anblick, und nun konzentrierten sich die beiden Wissenschaftler auf Veränderungen im Gehirn der Tiere. Auch dort schien alles normal zu sein. Es gab weder Parasiten noch Entzündungen, die auf eine kollektive Erkrankung hindeutete. Danach war wieder zwei Jahre Pause. In den folgenden Jahren aber wiederholte sich das Phänomen sowohl auf dem Flug in die Winter- wie auch zurück in die Sommerquartiere. Es drängte sich der Eindruck auf, dass die Vögel gleich welcher Art und Größe, die Orientierung verloren hatten, und das brachte Hannes Molander schließlich auf die richtige Spur.
    Langstreckenflüge brauchten eine Vielzahl von Informationen, um am Ziel anzukommen. Da die Tiere kein Gramm überschüssiges Fett und damit Energie mit sich tragen konnten, musste die Route so exakt wie möglich geplant werden. Ein geflogener Umweg konnte Entkräftung und Tod bedeuten. Beim Überfliegen von Wüsten mussten winzige Wasserstellen erreicht werden, die aus der Luft kaum zu erkennen waren. Die Evolution hatte ganze Arbeit geleistet und auch den unscheinbarsten Piepmätzen ein Navigationssystem eingebaut, vor dem jeder Jetpilot den Hut zog.
    Es waren natürliche Landmarken und nachts die Sternbilder, die ihnen die Richtung wiesen. Inzwischen war unstrittig, dass sie das Erdmagnetfeld sahen. Das Cryptochrom war ein Lichtrezeptor im Auge der Vögel, der sich nach den Magnetfeldlinien ausrichtete und diese als Lichtreize darstellen konnte, sodass tatsächlich ein visueller Eindruck der unsichtbaren magnetischen Feldlinien entstand. Neuere Erkenntnisse deuteten auf ein weiteres, redundantes System im Schnabel der Tiere hin, das noch weit genauer war.
    Umso verwunderlicher war es, was gerade geschah. Alle Systeme der Vögel konnten nicht gleichzeitig ausfallen, doch was wäre, wenn sich die Parameter, die sie maßen, veränderten?
    Hannes Molander versuchte, bei den Astronomen etwas über Veränderungen der Sternbilder heraus zu bekommen. Die winkten ab. Die Sache mit dem Erdmagnetfeld schien vielversprechender zu sein. Schließlich war die letzte Feldumkehr über 750000 Jahre her und längst überfällig.
    In regelmäßigen Abständen tauschten Nord- und Südpol die Rolle. In dieser Phase kam es zum Totalausfall der Magnetosphäre, sodass der Sonnenwind nicht mehr abgefangen und zu den Polen geleitet wurde. Ein furchtbares Bombardement mit geladenen Teilchen war die Folge. Es gäbe nicht nur Nordlichter bis hinunter zum Äquator, sondern eine zunehmende Rate an Hautkrebsfällen, ganz zu schweigen von den sensiblen elektronischen Bauteilen und den Datennetzen der Welt, denen ein kompletter Absturz drohte. Unglücklicherweise durchlief die Sonne in diesem Jahr ein Sonnenfleckenmaximum. Gigantische Protuberanzen schossen ihre elektrisch geladene Fracht in den Weltraum, um nach rund sechzig Stunden die Erde zu treffen. Waren die Vögel ein Indiz für die Turbulenzen des Erdmagnetfeldes, die nun stetig zunahmen? Hannes Molander hatte herausgefunden, dass Instabilitäten und ein Wandern der magnetischen Pole bereits eingesetzt hatten, die auf eine Umkehr hindeuten konnten, oft aber auch wieder unerklärlicherweise ins Lot kamen.
    Die Vögel waren ein hochsensibles, weltumspannendes Netz von Sensoren, das den wenigen Messstationen der Geophysiker weit überlegen war. Nun lieferte dieses Netz höchst beunruhigende Daten.
    Er hoffte, dass sie die Warnungen eines Ornithologen nicht in den Wind schlagen würden.
    Hannes Molander trat an das Rednerpult und schaute in die erwartungsvollen Gesichter seiner Zuhörer, die augenblicklich verstummten, als er zu reden begann.

21.
     
    Wenn dagegen die Götter die Erde mit Wasser überschwemmen, um sie zu reinigen, so können sich nur die Rinderhirten und Schafhirten auf den Bergen retten, während jene, die bei euch in den Städten wohnen, von den Fluten ins Meer geschwemmt werden.
    (Platon, Kritias)
     
    An der Universität Hohenheim stand Martin vor dem hässlichen Klotz des Getränkeautomaten und hieb mit der flachen Hand gegen den Schlitz, in dem soeben seine Euromünze verschwunden war, für die im Austausch ein kaum
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