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Gilgamesch - Der Untergang

Gilgamesch - Der Untergang

Titel: Gilgamesch - Der Untergang
Autoren: Andreas Geist
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genießbarer Kaffee im Ausgabefach der Maschine erscheinen sollte. Leider musste man fast immer nachhelfen, da die Mechanik die Münzen regelmäßig auf ihrem Weg in den gierigen Bauch des Automaten stoppte und erst nach einem heftigen Schlag gegen die Front wieder freigab.
    Ein Klicken signalisierte, dass es auch diesmal geklappt hatte, und Martin nahm die heiße Brühe in ihrem dünnen Kunststoffbecher zufrieden aus dem Greifer des Ausgabefaches. Er schlürfte vorsichtig und verbrannte sich wie immer die Lippen.
    Mit einem Seufzen ging er zurück in sein kleines Büro, das ihm als Doktorand zur Verfügung stand, und begann erneut über den Wirtschaftsfachzeitschriften zu brüten, die unordentlich über den ganzen Raum verstreut lagen und den Schreibtisch bedeckten.
    Er arbeitete an seiner Promotion auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaften, speziell über die Weltwirtschaftskrise, die im Jahr 2008 begonnen hatte und nun ähnliche Züge annahm, wie jene, die 1933 in Deutschland ihren Höhepunkt erreicht hatte. Zwölf Millionen Berufstätigen stand ein Heer von über sechs Millionen Arbeitslosen gegenüber. Damals ein idealer Nährboden für den aufkeimenden Nationalsozialismus, der durch den Zweiten Weltkrieg vielleicht maßgeblich die Dinge wieder ins Lot brachte, indem er die Völker Europas dezimierte, Volkswirtschaften und Städte verwüstete und damit das Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit erst möglich machte.
    Dies würde er sicher nicht so in seiner Doktorarbeit formulieren, dennoch war offensichtlich Zerstörung und Chaos ein universelles Prinzip, das den Boden für Neuanfang und Ablösung alter und festgefahrener Strukturen ermöglichte. Länder wie England, die im Wesentlichen von diesen Verheerungen verschont geblieben waren, verloren als späte Folge ihre wirtschaftlichen Vormachtstellungen.
    Er fragte sich inzwischen ernsthaft, ob dieses archaische Prinzip, gegen das er sich im innersten seiner Seele wehrte, einfach unabdingbar war, oder ob es auch einen anderen Ausweg aus der seit vier Jahren schwelenden Krise gab.
    Die Regierungen aller Wirtschaftsnationen machten sich etwas vor. Sie hatten mit kreditfinanzierten Programmen den Produktionsmotor künstlich in Gang gehalten und damit das Gesamtgefüge weiter verzerrt, so als wenn man einen Hirntoten mit maximalem Aufwand am Leben hielt, um seine rosigen Wangen als Zeichen seiner Genesung zu verkaufen.
    Irgendwann musste man die Maschinen abschalten und dann hatte man das Pulver verschossen, mit dem man besser diejenigen unterstützt hätte, die klare Perspektiven für die Zeit nach der Krise hatten.
    Der Vergleich der roaring nineties mit den roaring twenties zeigte erschreckende Parallelen. Die gleiche Partystimmung durch Globalisierung, enthemmtes Wachstum und steile Börsenkurse, die den Zenit einer weltweiten Überproduktion kennzeichneten.
    Alle Märkte waren gesättigt, jeder, der Geld hatte, um es in den Wirtschaftskreislauf zu werfen, hatte inzwischen alles und war es müde, einen weiteren Anbau an seinem Haus vorzunehmen, nur um ein weiteres Zimmer mit einem großen Flachbildschirm auszurüsten.
    Die erneuerbaren Energien steckten noch in den Kinderschuhen und Förderprogramme wurden fatal gekürzt, obwohl sich hier einer der wenigen Auswege abzeichnete. Dort gab es wirklich einen neuen Markt mit neuen Arbeitsplätzen und einen weltweiten Bedarf, der mit dem Ende der fossilen Brennstoffe gigantische Ausmaße annehmen würde. Das war auch der neuralgische Punkt, der die zweite Weltwirtschaftskrise dramatisch von der ersten unterschied.
    Viele natürliche Ressourcen gingen zu Ende und ein Großteil davon hatte man in typisch menschlicher Maßlosigkeit in Kohlendioxid verwandelt, das die Atmosphäre in ein Treibhaus verwandelte. Ein Wirtschaftsaufschwung wurde immer wieder gebremst durch die sofort ansteigenden Rohstoffpreise, und aus diesem Teufelskreis gab es keinen Ausweg. Zudem flohen die Spekulanten aus den Papierwährungen in eben diese Rohstoffe, weil ihnen klar wurde, dass man Papiergeld beliebig vermehren konnte.
    Die Zentralbanken druckten inzwischen Geld, ohne sich um irgendwelche Stabilitätskriterien zu scheren, die aber das Vertrauen in eine Währung ausmachten. Resigniert brütete Martin über die verheerenden Daten, die sich so klar abzeichneten, wie der Sonnenuntergang nach einem Unwetter, das die Luft reinigte und die Schäden in schmerzhafter Klarheit zutage treten ließ.
    War es der letzte Sonnenuntergang, dem sie
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