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Giftweizen

Giftweizen

Titel: Giftweizen
Autoren: Heike Schroll
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Drohungen wohldosiert handlungsunfähig gemacht, konnten ihn dann wegen seiner nicht vorhandenen Fingerglieder als Eduard Singer ins Krankenhaus bringen, ihn dort sterben lassen und haben ihm dann in der Pathologie seine Hände abgetrennt?«
»Richtig. Wozu fragen Sie noch, wenn Sie doch schon alles wissen?«
Dr. Grede nahm den Einwurf zur Kenntnis und begründete sein Vorgehen: »Das Ergebnis Ihres Handelns ist uns bekannt. Uns interessiert, wie Sie das im Krankenhaus angestellt haben.«
Eduard Singer antwortete bereitwillig: »Die Anruferei war noch das Einfachste: Donnerstag, es war noch nicht Mittagszeit, kurz nachdem Hella den Wuttke in die Notaufnahme begleitete, bin ich im weißen Kittel durchs Krankenhaus gelaufen und habe mich umgesehen. In der Pathologie stellte ich mich einer jungen Lernschwester als mit den hiesigen Abläufen unerfahrener neuer Kollege vor, der bei den Akten eines verstorbenen Patienten vielleicht etwas verwechselt hätte.«
Judith ahnte, wie dieser charmante, seriöse, den ratlosen Arzt gebende Mann auf eine unerfahrene Schwester gewirkt haben könnte.
Singer bestätigte: »Sie hat mir zuvorkommend die Akten und die Leichen gezeigt. Auch sonst wollte sie beweisen, was sie alles schon von den Abläufen im Krankenhaus wusste. Sie erzählte auch von der Situation, dass im Moment kein Arzt in der Pathologie verfügbar war, und schien sich zu freuen, dass das Krankenhaus durch mich Unterstützung von außerhalb bekäme. ›Normalerweise würde ja Dr. Renz aushilfsweise einspringen‹, verriet sie mir. Zum Schluss beruhigte sie mich noch, dass sie mit keinem über meinem Lapsus sprechen würde, sie hätte ja auch mal angefangen und Fehler gemacht ... Am späten Nachmittag hatte ich alle Informationen, die ich brauchte, und konnte dann die beiden Anrufe bei diesem Renz erledigen. Seine Nummer steht sogar im Telefonbuch. Freitag früh habe ich dann den Austausch der Leichen vorgenommen.«
Judith Brunner ging das jetzt zu schnell. Sie fragte nach: »Warum haben Sie eigentlich so einen Aufwand betrieben und den bereits unter ihrem Namen verstorbenen Wuttke gegen den Holl getauscht?«
Singer räusperte sich. »Ähm. Wuttkes vergifteter Leichnam musste aus dem Krankenhaus entfernt und durch einen anderen ersetzt werden. Sonst wäre bei einer Obduktion die Vergiftung offenbar und möglicherweise Hella verdächtigt worden. Eine passende Ersatzleiche wollte ich bei Lindenlaub besorgen. An dieser Stelle hatte ich mich gründlich verspekuliert! Ich bin fest davon ausgegangen, dass in dem Bestattungsinstitut immer eine größere Auswahl an Toten liegt. Als ich dort vor einem halben Jahr die Formalitäten für einen ehemaligen Kollegen zu erledigen hatte, war der Kühlraum mit mehreren Leichen gefüllt. Außerdem wusste ich noch, dass in dem ganzen Gebäude niemand wohnte; dort gibt es ausschließlich Gewerberäume. Ich hätte mich problemlos bedienen können. Als Holl von Lindenlaub abgeholt wurde, freute ich mich noch, wie perfekt alles lief, aber nun mein Schreck, als ich den Kühlraum betrat: Nur der Holl lag dort! Wer konnte denn das mit den Reparaturarbeiten ahnen! Um woanders nach einer passenden Leiche zu suchen, fehlte mir die Zeit. Ich selbst hatte ja mit meinen Telefonaten dafür gesorgt, dass die Autopsie schon in ein, zwei Stunden stattfinden würde. Mir erschien es vormals hilfreich, für ein höheres Untersuchungstempo zu sorgen. Die Obduktion sollte eine rasche Routineuntersuchung kurz vor dem Wochenende werden.«
»Und da hatten Sie gar keine andere Wahl, als den Holl zu nehmen«, vermeinte Dr. Grede die Misere jetzt nachvollziehen zu können.
»Oder den Wuttke in der Pathologie zu lassen und das Beste zu hoffen. Denn der Holl war ja auch von Ihnen vergiftet worden. Zudem wies er nicht Ihre Fingeramputationen auf, sondern hatte schlimmste Körperentstellungen! Das Risiko, entdeckt zu werden, war mit dem Holl ungleich höher«, hielt Judith Brunner dagegen.
»Mein Kompliment, Sie haben es ebenso schnell erkannt. Und mir war das auch sofort klar: Der Holl geht niemals als Singer durch! Deswegen mussten ja auch unbedingt Wuttkes Hände gefunden werden. Wenn mich jemand – nur anhand der Hände – identifizieren würde, wäre zumindest das Wiederauftauchen eines Teils meiner Leiche damit gesichert, Hella hätte was zum Begraben, der Erbschein wäre ausgestellt worden und sie hätte das Haus verkaufen können. Wir hätten etwas Geld gehabt, um unsere neue Existenz aufzubauen«, bestätigte
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