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Giftweizen

Giftweizen

Titel: Giftweizen
Autoren: Heike Schroll
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machen. Was er tun musste, hat er erledigt. Und dann leben wir wieder zusammen, und dieses Mal droht uns keine Gefahr, von niemandem.«

    ~ 62 ~
     
    Judith Brunner und Dr. Grede saßen im Besprechungsraum und spielten das Verhörband nochmals ab. Die Vernehmung war durchaus erfolgreich verlaufen. Sie hatten allerhand erfahren, wenn auch hinsichtlich der konkreten Beteiligung Hella Singers an den Taten weiterer Klärungsbedarf bestand. Beiden Ermittlern war aufgefallen, dass die Verdächtige die Sachverhalte zwar bis ins letzte Detail zu schildern bereit gewesen war, aber an keiner Stelle eine unmittelbare Beteiligung an den Morden eingestanden hatte. War sie wirklich nur Komplizin?
Grede klang zuversichtlich: »Wie es aussieht, sollte es uns bald gelingen, auch die letzten Details dieser verworrenen Geschichte aufzuklären.«
Sie mussten jetzt mit Eduard Singer reden.

Als sie den schmalen Raum betraten, in dem er auf sein Verhör wartete, stand der Mann mit geschlossenen Augen an die Wand gelehnt, die Hände in den Hosentaschen. Einen Moment später sah er Judith Brunner und Dr. Grede mit wachem Blick an, stieß sich sacht ab und kam ihnen entgegen. Mit angenehm freundlicher Stimme fragte er: »Haben Sie schon mit meiner Frau gesprochen? Wie geht es ihr?«
Judith Brunner konnte nun den flüchtigen Eindruck, den sie bei der Verhaftung von ihm gewonnen hatte, vertiefen. Obwohl eher schmal gebaut, wirkte der Mann muskulös und für sein Alter ausgesprochen fit, mit vollem, gut frisiertem Haar und einem verwegenen Dreitagebart.
»Setzen Sie sich bitte hin«, forderte Dr. Grede ihn auf und wies auf den Stuhl hinter dem quadratischen Tisch.
Zögernd folgte Singer dieser unmissverständlichen Aufforderung.
Jetzt erst stellte Judith Brunner sich und ihren Kollegen vor. Dann ging sie auf seinen freundlichen Tonfall ein: »Ihrer Frau geht es gut. Sie hat kooperiert und wir haben bereits vieles klären können. Einiges würden wir jedoch gerne von Ihnen erfahren.« Sie drückte den Aufnahmeknopf des kleinen batteriebetriebenen Kassettenrekorders, konfrontierte Singer nochmals mit den Tatvorwürfen, nannte die anwesenden Personen und fragte Singer, ob er einen Kaffee oder etwas Wasser möchte.
Der Mann verneinte und verlangte nur: »Ich will meine Frau sehen.«
»Das wird vorerst nicht möglich sein«, informierte Judith Brunner ihn wahrheitsgemäß.
»Wir haben uns gestellt und ich bin bereit, alles zu gestehen. Was wollen Sie denn noch?«
»Ich habe noch einige Fragen. Danach finden wir vielleicht eine Möglichkeit für Sie und Ihre Frau, sich zu sehen. Können wir anfangen?« Judith Brunner durfte auf keinen Fall riskieren, dass der Mann sich sperrte.
Eduard Singer nickte.
»Gut. Herr Singer, wie haben Sie Otto Holl gefunden?«
Dass die Hauptkommissarin gleich so zur Sache kam, überraschte Singer. Er sah sie irritiert an. »Den Holl?«, fragte er, als ob ihm der Name nichts sagte. Da er nicht wusste, was seine Frau bereits eingeräumt hatte, war es für ihn schwer, den Kenntnisstand der Polizei zu beurteilen. Er hoffte, mit einer Gegenfrage irgendeinen Hinweis zu erhalten: »Wie meinen Sie das?«
Doch diese Taktik kannte Judith Brunner zur Genüge und sie versuchte, seinen Blick zu fangen. Sollte Eduard Singer ruhig alles nochmals erzählen!
Dr. Grede malte, Gelassenheit und Langeweile vortäuschend, Kreise auf seinen Notizblock. Die Zeit verging.
Mitten in diese Ruhe hinein war auf einmal zu hören: »Otto Holl.« Singer betonte den Namen so schleppend, mit so einer Verachtung und so einem Hass in der Stimme, dass es eines Geständnisses, er hätte diesen Mann ermordet, eigentlich nicht mehr bedurfte. Dann sah er sein Gegenüber direkt an. »Was würden Sie für Ihre Liebe tun, Herr Dr. Grede?« Er beugte sich noch weiter vor und schien an einer Antwort Gredes wirklich interessiert zu sein.
Judith Brunner hatte ihren Kollegen noch nie so verwirrt gesehen. Ihm schien diese Frage eindeutig zu weit zu gehen.
Die Männer starrten sich einen Moment an, doch dann entspannte sich die Situation sofort wieder, als Eduard Singer sich zurücklehnte und nun in ihre Richtung sprach: »Otto Holl war ein Unmensch, ein Rohling ohnegleichen. Und ich bin erleichtert, dass er endlich tot ist. Ich bedaure nicht, was ich getan habe.«
»Was genau haben Sie denn getan?« Judith Brunner fragte sich mittlerweile, ob Singer, wie angekündigt, überhaupt zu einem Geständnis bereit war.
Singer schloss erneut die Augen, lehnte konzentriert den Kopf
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