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Giftweizen

Giftweizen

Titel: Giftweizen
Autoren: Heike Schroll
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nach: «Wann genau tauchte dieser Wuttke bei Ihnen auf? Bevor oder nachdem Ihr Mann Pfeiffer umgebracht hatte?«
»Das war ja das Überraschende, gleich nach Pfeiffers erstem Besuch. Wir vermuteten, er sollte den Druck auf meinen Mann noch weiter erhöhen, vielleicht in Pfeiffers Auftrag oder auch von Holl geschickt. Sie können sich vielleicht vorstellen, was für einen gewaltigen Schreck wir bekamen: Wie viele Leute würde der Holl noch auf uns hetzen!? Und wie viele wussten von uns? Sollte das mit diesen Banditen jetzt erst richtig losgehen? ... Nun ja, nachdem Wuttke fast unsere Tür eingetreten hatte, stürzte er sich sofort auf Eduard und wurde handgreiflich. Das hätte er nicht tun sollen, denn er hatte – was meinem lieben Mann sofort auffiel – etwas aufzuweisen, das sich als Lösung der unvorhergesehenen Probleme erweisen sollte: Wuttke fehlten an der rechten Hand ebenfalls einige Fingerglieder! Und auch ansonsten sahen sich die beiden Männer hinreichend ähnlich.«
War das möglich? Judith Brunner spürte, dass sich nun alles auflösen würde. Sie fühlte, wie sich ihr Körper konzentriert spannte. Doch sie schwieg, um Hella Singer nicht zu unterbrechen.
»Auf einmal wusste Eduard, wie es klappen könnte. Wir beide müssten ein für alle Mal verschwinden! Seine spontane Idee war: Ich gebe den von ihm vergifteten Wuttke als meinen erkrankten Mann in der Notaufnahme ab und lasse ihn dort sterben. Eduard übernimmt kurzerhand die Identität von Wuttke. Das Alter und die Statur stimmten ziemlich überein, auch die grauen Haare. Und Eduard hätte sich nur seine alte, große Hornbrille aus den Siebzigern aufsetzen müssen, so wie der Wuttke sie noch immer trug. Das hätte bei einem zerknitterten Ausweisfoto niemand bemerkt. Glauben Sie, bei alten Männern guckt da jemand genauer hin? ... Ich wäre dann die trauernde Witwe, die mit ihren Erinnerungen in Breitenfeld nicht mehr hätte leben wollen. Wir hätten irgendwo als Paar neu angefangen. Das Einzige, was Eduard für den Plan benötigte, war ein Transportgerät. Da wir kein Geld für ein Auto hatten, kaufte er noch am selben Tag ein gebrauchtes Motorrad mit Beiwagen. Das war für ihn auch viel besser geeignet als ein Pkw, denn wer wird schon unter einem Motorradhelm mit Schutzbrille sofort erkannt?«
»Aber wie wollte er den Wuttke dazu bringen, das Gift zu schlucken?«, fragte Dr. Grede ungläubig nach.
»Mit der Aussicht auf viel Geld natürlich! Stets mit der gleichen Verlockung: Als Wuttke Eduard wieder etwas Luft zum Atmen ließ, versprach er ihm eine hohe Summe. Aber nur, wenn er niemandem etwas davon erzählte. Das sagte Wuttke fies grinsend zu; er hätte sowieso niemanden, mit dem er teilen müsste. Eduard wies darauf hin, dass es ein paar Tage bräuchte, bis unsere Sparverträge aufgelöst wären ...« Hella Singer lächelte sogar, bevor sie ergänzte: »Dass wir das Geld gar nicht hatten, spielte überhaupt keine Rolle.« Dann schilderte sie weiter: »Wuttke sollte in einer Woche wiederkommen und schon wäre er ein reicher Mann. Mit der Vorstellung, das große Los gezogen zu haben, verließ der Kerl unser Haus! Pünktlich nach sieben Tagen klopfte er wieder heftig an unserer Tür. Wuttke hatte sich, wie wir schon dachten, gleich am Morgen aufgemacht. Das üppige Frühstück, welches Eduard dann servierte, schmeckte dem Trottel vorzüglich. Das Gift war genau bemessen, um seinen Tod langsam herbeizuführen. Eduard hatte zweifelsohne an alles gedacht.«
»Das war der Plan?!« Judith Brunner wurde fast schwindlig, als sie einen Moment später erkannte, dass das alles hätte wirklich funktionieren können, wäre den Singers nicht der unglaubliche Zufall, von Walter entdeckt zu werden, in die Quere gekommen! Hätten die beiden Walter wirklich ungeschoren davonkommen lassen, ihn, der die einzig verbliebene Bedrohung für sie darstellte? Judith beschlichen da erhebliche Zweifel.
»Frau Singer, es ist Ihnen doch sicher bewusst, dass Sie nun für einige Jahre ins Gefängnis müssen, getrennt von Ihrem Mann.«
Die Frau nickte selbstbewusst und lehnte sich dann vor. Ganz gelassen klärte sie Judith Brunner auf: »Machen Sie sich nichts daraus. Das haben wir schon bedacht. Sicher, wir werden einige Jahre getrennt sein, doch das überstehen wir. Sie wissen, wie das heutzutage läuft: Selbst wenn Eduard zu fünfzehn Jahren verurteilt wird, ist er nach Lage der Dinge nach sieben, acht Jahren raus. Die Bewährungsauflagen werden ihm wohl kaum Schwierigkeiten
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