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Giftweizen

Giftweizen

Titel: Giftweizen
Autoren: Heike Schroll
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jemand finden, der über jeden Verdacht erhaben ist und verantwortungsvoll handelt, indem er sofort die Polizei informiert. Ich hatte Angst, es könnte Leute geben, die die Hände einfach ignorieren oder gar verschwinden lassen, nur um nicht in irgendetwas mit hineingezogen zu werden. Außerdem hätte er mich anhand der fehlenden Fingerkuppen als Eduard Singer identifizieren können. Ich hoffte zumindest, dass er sich daran noch erinnerte. Und um auf Ihre Frage mit den Handschuhen zurückzukommen: Die nackten Hände von Wuttke bei der Amputation anzusehen, habe ich einfach nicht gekonnt. Das war zu widerlich! Ich zog ihm also meine Handschuhe über, die ich mir extra noch gekauft hatte, um nirgendwo Fingerabdrücke zu hinterlassen. Für den Transport erwies es sich auch als praktisch. Aber als ich den Botho Ahlsens dann am Ferchel kommen sah, gelang es mir nicht, die Hände, wie beabsichtigt, schnell herauszuziehen. Hätte er mich gesehen oder möglicherweise sogar erkannt, wäre mein Vorhaben vorzeitig gescheitert.«

    ~ 63 ~
     
    Laura war mit Astrid zum Mittagessen verabredet. Es gab nur eine Kleinigkeit, eine leichte Gemüsesuppe, denn Astrid überraschte sie mit der Einladung zu einem abendlichen Grillfest auf der Wiese am Gutshaus.
»Nanu? Was gibt es denn zu feiern?«
Ihre Freundin wusste jedoch auch nichts Näheres. »Ich habe keine Ahnung. Onkel Botho tut sehr geheimnisvoll und strahlt übers ganze Gesicht. Aber er rückt nicht mit der Sprache raus. Lassen wir uns also überraschen und vor allem genügend Platz im Bauch, damit wir nachher ordentlich zulangen können. Wir werden sicher wieder viel zu viel zur Auswahl haben. Onkel Botho will extra zum Fleischer nach Winterfeld fahren.«
Laura amüsierte sich über Astrids offenkundige Vorfreude auf die zu erwartenden Grillspezialitäten; ihre unbeschwerte Stimmung war direkt ansteckend.
Nach dem Essen saßen sie mit einem starken Kaffee in der gemütlichen Bibliothek des Gutshauses. Die kleine Ella schlief auf dem Sofa, neben dem faulen Kater, still und bewegungslos.
Laura sah sich um und entdeckte auf dem Tischchen neben dem Sofa einen stabilen Schuhkarton, voll bis obenhin mit Fotografien.
Astrid bemerkte ihren Blick. Sie stand auf, holte den Karton, setzte sich neben ihre Freundin und kramte ein paar Fotos heraus.
Laura sah, dass sie sich gezielt Fotos von Martin Bach auf den Schoß sortierte.
Langsam zerknitterte sie eine Porträtaufnahme von ihm, und für einen kurzen Moment schloss sie die Augen. Dann sah Astrid zu ihrem Töchterchen hinüber und ein Lächeln verzauberte ihre Gesichtszüge. Leise, doch mit überraschend klarer Stimme sagte sie: »Er wird sich nie von seiner Frau trennen, Laura. Und von seinen Kindern natürlich auch nicht. Er liebt sie zu sehr. Das ist mir mittlerweile bewusst geworden. Wir werden nie gemeinsam aufwachen, in den Urlaub fahren oder Weihnachten zusammen feiern. Bei Martin wäre ich immer nur im Wartestand. Bei ihm bekomme ich nicht, was ich suche ... Aber es tut weh, ihn zu verlassen.« Nun schluchzte sie doch noch auf.
Laura zog ihre Freundin an sich, strich ihr über das Haar und ließ sie weinen.
Irgendwann rutschten die Fotos von Martin auf den Teppich. Astrid suchte sie wieder zusammen und steckte sie in den Schuhkarton, aber diesmal ganz nach unten. Unerwartet musste sie laut lachen, als sie das nun zuoberst liegende Foto sah. »Sieh dir das doch bloß mal an!«, forderte sie Laura auf. »Mein Schulabschlussball, vor dem Abitur, weißt du noch? Was habe ich mir bloß dabei gedacht, dieses furchtbare Kleid nähen zu lassen und es dann auch noch öffentlich zu tragen! Kein Wunder, dass niemand mit mir tanzen wollte!«
Auch Laura schmunzelte, als sie das Schwarz-Weiß-Foto in die Hand nahm. »Ich erinnere mich noch gut, wie du mir, kaum dass der Ball vorbei war, die Erwähnung dieses Kleides für alle Zeit verboten hast. Gilt das nicht mehr?«
»Ach, ich glaube, inzwischen kann ich zu einigen meiner Jugendsünden stehen«, gab Astrid gelassen zu.
    ~ 64 ~
     
    Was für eine Geschichte! Angesichts der unerträglichen Taten von Holl und Pfeiffer wünschte Judith fast, die Singers hätten es geschafft, sich in ihr neues Leben abzusetzen. Ob sie fern der Heimat und mit der latenten Gefahr drohender Entdeckung hätten glücklich leben können, war allerdings fraglich.
Nachdem sie sich im Kreise ihrer Mitstreiter mit einem kleinen Imbiss für die hervorragende Teamarbeit bedankt hatte – Wachtmeister Stein hatte auf Lisas
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