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Gier

Gier

Titel: Gier
Autoren: Arne Dahl
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unhöflich sein konnte, wenn sie genervt war oder ihr jemand zu nahekam.
    Doch als sie schließlich aufsah, stellte sie erleichtert fest, dass Kowalewski sich bereits abgewandt hatte. Und nun rief er laut: »Let’s play Chinese whispers, children!«
    Alle Anwesenden sahen zu ihm hin. Sie hatten sich bereits an sein zwanghaftes Bedürfnis gewöhnt, den Klassenclown zu geben. Aber diesmal trafen ihn überwiegend erstaunte, wenn nicht sogar vorwurfsvolle Blicke.
    Â»Shit«, sagte Kowalewski und legte die Ohren an. »Heißt das nicht so auf Englisch? Dieses Spiel, bei dem einer ein Wort flüstert und die anderen es weiterflüstern müssen?«
    Â»Du hast also noch nicht gehört, was passiert ist?«, fragte die dunkelhaarige Engländerin Miriam Hershey und ließ ihren Blick zwischen Marek Kowalewski und Arto Söderstedt hin- und herschweifen. Doch der machte lediglich eine abwehrende Handbewegung.
    Â»Was denn?«, fragte Kowalewski mit Nachdruck.
    Söderstedt streckte den Rücken durch, sodass es hörbar in seinem hellhäutigen Körper knackte, und sagte: »Let’s just say I’ve had my fair share of Chinese whispers.« Von Stiller Post hatte er wirklich genug.
    Jutta Beyer dankte dem Himmel, dass der Chef in diesem Augenblick den Raum betrat und alle ihre Aufmerksamkeit auf ihn richteten. Er nickte ihnen rasch zu und nahm hinter seinem Pult Platz. Der Leiter der Opcop-Gruppe war ein recht stilvoller Mann in mittleren Jahren mit mittelblondem, etwas längerem Haar, das an den Schläfen schon ein wenig grau geworden war. Und in der Region um den Hosenbund herum war sein Körper nicht mehr ganz so schmal. Auf der Wange hatte er einen kleinen roten Fleck, und er kam aus Schweden. Sein Name war Paul Hjelm.
    Â»Guten Morgen. Ich kann euch heute mitteilen, dass Europol nun einen großen Schritt hin zu einer operativen Institution gemacht hat«, sagte er in seinem halbwegs gepflegten Englisch. »Am vergangenen Donnerstag wurde nämlich unser Kollege Arto Söderstedt in London in einen Vorfall verwickelt, bei dem es sich zwar nur um einen Unfall handelte, der die Führungsgruppe hier im Haus aber dazu veranlasste, am Wochenende bestimmte Prinzipien zu diskutieren. Ich weiß, dass ihr Prinzipien furchtbar leid seid, ich bin es auch.«
    Er schaute auf die versammelte Opcop-Gruppe, und einige seufzten. Hjelm fuhr fort: »Vor allem aber bin ich es leid, die Dinge zu verschleiern. Ihr habt nun bereits einen guten Monat hier in eurer neuen Anstellung hinter euch, und es wird Zeit für klare Worte. Seid ihr bereit für klare Worte?«
    Â»Mehr als bereit«, antwortete Felipe Navarro und richtete erneut seinen Krawattenknoten. »Wir haben uns zwar auf das Ganze eingelassen, ohne genau zu wissen, worum es hier geht, aber dass die Sache derart unklar ist, verblüfft uns doch ein wenig. Schließlich sollte eine neuartige internationale Polizeieinheit ins Leben gerufen werden.«
    Â»Uns war nicht klar, dass das Neuartige darin besteht, dass wir nichts zu tun haben würden«, fügte Corine Bouhaddi sarkastisch hinzu.
    Paul Hjelm lächelte kurz und sagte dann: »Man hat euch ja erklärt, dass Opcop ›Overt Police Cooperation‹ bedeutet, also offene Polizeiarbeit unter dem Dach von Europol. So lautet die offizielle Bezeichnung, aber praktisch gesehen sind wir ›Operating Cops‹. Wir sind eine Einheit, die erproben soll, inwieweit eine internationale Polizeitruppe handlungsfähig ist. Und währenddessen wird Europol zu einer formalen EU-Behörde umstrukturiert.«
    Â»Erproben?«, rief Fabio Tebaldi aus. »Was zum Teufel soll denn ›erproben‹ bedeuten?«
    Â»Zunächst einmal muss ich aufs Deutlichste betonen, dass alles, was hier in diesem Raum gesprochen wird, höchster Geheimhaltung unterliegt. Wer sich nicht an die Schweigepflicht hält, muss mit einer Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren rechnen. ›Erproben‹ bedeutet, dass wir eine Einheit sind, die sich offiziell erst in Zukunft mit eigenen Ermittlungen befassen darf.«
    Nun ging ein überraschtes Raunen durch den Raum. Denn Europols Aufgabe bestand bisher lediglich darin, die nationalen Polizeieinheiten bei der Koordination und Informationsbeschaffung zu unterstützen, Europol ermittelte nicht selbst aktiv. Und nun sollten die Polizisten von Opcop auch selbst Ermittlungsarbeit leisten, anstatt nur Befehle
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