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Gier

Gier

Titel: Gier
Autoren: Arne Dahl
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gewinnen.«
    Â»So etwas?«, fragte Jorge.
    Kerstin beschrieb mit der Hand einen Kreis um den Tisch herum und erklärte: »So etwas.«
    Sie sahen einander an. Sachte breitete sich auf einem Gesicht nach dem anderen ein Lächeln aus. Und es war das gleiche Lächeln.
    Nach einer Weile fragte Sara: »Hätten wir heute Abend nicht auch Arto und Anja mitnehmen sollen?«
    Â»Arto ist direkt in den Urlaub gefahren, dieser Schurke«, antwortete Paul. »Er hatte irgendetwas Bestimmtes vor. Es hat mit einem heiligen Versprechen zu tun.«
    Â»Mit einem heiligen Versprechen?«, fragte Kerstin.
    Â»Arto ist, wie er ist«, entgegnete Paul. »Bei ihm macht es keinen Sinn, nachzuhaken.«
    Jorge Chavez nahm die Speisekarte zur Hand und reichte sie herum. »Aber jetzt lassen wir die Arbeit hinter uns, und damit basta. Ich bin der festen Überzeugung, dass ihr heute Abend Haring bestellen solltet«, sagte er.

Operation Glencoe
Glencoe, Schottland, 25. April
    Solange sie den Geschmack des einundzwanzig Jahre alten Highland-Park-Whiskys noch auf der Zunge spürte – und er hielt sich bereits erstaunlich lange –, ließ sie ihn gewähren. Sie saß auf einem bemoosten Stein und genoss die Sonne in den Highlands. Hin und wieder warf sie einen Blick in seine Richtung. Er stand vollkommen still unten in der Schlucht, absolut regungslos. Auch um ihn herum bewegte sich nichts.
    Es war so überraschend gekommen. Plötzlich hatte er einfach Urlaub. Und es fügte sich so glücklich mit der Anerkennung ihrer neu gezüchteten Basilikumsorte bei den offiziellen Behörden in Rom. Jetzt gab es also eine Basilikumsorte, die Anja-Basilikum hieß, Ocimum Basilicum Anja . Sie legte die gerade eingetroffenen Steuererklärungen zur Seite und kam seiner Idee, für ein paar Tage, vielleicht drei, maximal vier, wegzufahren, nach. Außerdem hatte sie absolut nichts gegen das Reiseziel. Sie trank für ihr Leben gerne Single Malt Whisky, es war schon fast peinlich.
    Dennoch hatten sie es heute Morgen im Clachaig Inn ziemlich behutsam angehen lassen. Sie wollten ja schließlich Berge besteigen. Oder zumindest eine lange Wanderung machen. Also musste ein kleines Glas von dem Einundzwanzigjährigen genügen, dessen Geschmack sich seit einiger Zeit schon auf ihrer Zunge hielt.
    Auch wenn er jetzt kurz davor war, sich zu verflüchtigen.
    Sie waren nach Glasgow geflogen, hatten sich einen Mietwagen genommen und waren zwei Stunden geradewegs in Richtung Norden gefahren. Dann hatten sie im Clachaig Inn ein Zimmer bezogen und ein wunderbares Abendessen genossen, das durch ein Tablett mit Kostproben der führenden Sorten des Jahres aus den Highlands komplettiert wurde. Daraufhin waren sie ein wenig beschwipst in ihr unnötig luxuriöses Hotelbett gefallen, um bei erfrischender Morgenluft, die durchs Fenster hereinwehte, ausgeruht und glücklich wieder zu erwachen. Daraufhin hatten sie ein ausgiebiges schottisches Frühstück sowie ebenjenen einundzwanzigjährigen Highland Park zu sich genommen, die Wanderstiefel angezogen und waren in die Wildnis aufgebrochen. Hinunter zum Loch Leven, auf die Heidefläche hinaus und in die Berge hinauf.
    Sie erreichten die ersten Berggipfel – der mächtige Meall Mòr erhob sich zu ihrer Rechten, der noch mächtigere Sgorr Nam Fiannaidh zu ihrer Linken – und waren kurz davor, ins Tal hineinzuwandern. Weit in der Ferne konnten sie den Buachaille Etive Mòr in der transparenten kristallklaren Luft erahnen. In dem Moment hielt Arto inne und blieb stehen. Genau am Rande des lang gezogenen Tals blieb er stehen.
    Anja Söderstedt betrachtete ihren rätselhaften Mann. Sie bemerkte, dass er auf etwas wartete. Noch spürte sie den Geschmack des Malt-Whiskys auf ihrer Zunge. Aber viel mehr Zeit würde sie Arto nicht geben.
    Glencoe zeigte sich von seiner allerbesten Seite. Die Frühlingssonne schien und umgab die Berggipfel mit einer Aura aus zartem Licht. Und es war vollkommen windstill.
    Arto Söderstedt stand da und wartete. Es ging um einen ehrfurchtsvollen Eid und ein heiliges Versprechen. Er stand am Rande des Tals von Glencoe und wartete auf den Wind.
    Er musste ihn unbedingt spüren.
    Physisch spüren.
    Er hörte ihn, lange bevor er ihn spürte. Er blies dort unten durch die Senke des Tals, woraufhin die Zweige an den Büschen, an denen gerade das erste Grün spross, zu rascheln begannen,
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