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Gier nach Blut

Gier nach Blut

Titel: Gier nach Blut
Autoren: Jason Dark
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Sockel, und das Kreuz hatte die alte Frau gegen den Sockel gelehnt. Es lag schräg, und die Frau konnte jede einzelne Perle erkennen. Sie fing an zu beten.
    Es waren keine Gebete, die in einem Buch niedergeschrieben worden waren, sie gehörten zu denen, die Ricca in ihrer Kindheit gelernt hatte.
    Worte aus alten Überlieferungen, die fromme Menschen irgendwann einmal aufgeschrieben hatten.
    Die ersten Worte glitten noch etwas zögernd und stotternd über ihre Lippen, Was sich aber rasch änderte, denn Ricca versank tief in ihr Gebet und erlebte eine für sie heilende Trance.
    Zwar kniete die schmale, beinahe schon fragil wirkende Gestalt noch immer auf der Betbank, aber Ricca spürte es nicht. Sie kam sich so wunderbar frei vor, schon wie erlöst, als wäre ihr Geist aus dem Körper gestiegen und hätte ihn als kniende Hülle zurückgelassen. Dieses Gebet war für sie der große Balsam. Sie lebte in diesen alten Worten, sie wurde hinweggetrieben in ein schützendes Meer, aber sie spürte auch, daß es nicht mehr so war wie sonst.
    Etwas hatte sich verändert.
    Anfangs hatte sie nichts gespürt. Da waren die Worte wie Beschützer gewesen, später aber, als sie eigentlich hätte zufrieden sein müssen, war langsam, aber sicher das Gegenteil eingetreten.
    Sie empfand die Erfüllung nicht mehr so wie sonst. Da existierte plötzlich eine Kraft, die sie gewaltig störte, und diese Kraft gehörte nicht auf die Seite des Guten.
    Sie war wie eine Wolke. Erst noch relativ weit entfernt, dann aber immer näher an sie herankommend, als gäbe es kein anderes Ziel als diese betende Frau.
    Die Wolke ließ sich nicht aufhalten.
    Sie kam.
    Sie war mächtig, sie war drohend, sie war schlimm. Sie bedeckte alles, sie nahm dem hellen Licht, das ebenfalls in der Ferne lag, seine Kraft, und die betende Frau blieb ebenfalls davon nicht verschont. Sie spürte, wie diese Wolke näher und näher kam. Sie brachte das Grauen, sie war stärker als die Worte des Gebets, und genau das konnte Ricca Marquez nicht fassen.
    Sie wußte nicht, wie sie sich verhalten sollte. Im Gebet versuchte sie, gegen die Angst anzukämpfen. Ihre Augen, die bisher ruhig und nach innen gerichtet eine absolute Sicherheit ausgestrahlt hatten, veränderten sich nun. Sie begannen zu flackern. Die Angst vor dem unabwendbaren Grauen stahl sich in sie hinein.
    Die alte Frau hatte in ihrem Leben schon des öfteren Angst verspürt, jedoch nie so stark wie in diesem Fall. Es war keine Angst, wie man sie um einen anderen Menschen hatte, der sich in Gefahr befand, auch keine Angst, wie man sie vor einem Krieg hatte, nein, diese hier war anders, ganz anders. Sie saß tief im Menschen fest, aber sie war nun wieder hervorgekommen, eine Urangst, wie sie jede Kreatur hat, und auch Ricca bildete da trotz ihres hohen Alters keine Ausnahme.
    Es war einfach die Furcht vor der Wolke, vor der Bedrohung und vor der Vergangenheit.
    Ricca Marquez konnte nicht dagegen ankämpfen. Den Kopf hatte sie etwas zurückgedrückt, die Augen erhoben, als suchte sie irgendwo im Himmel eine Hilfe.
    Nichts kam.
    Nur die Wolke verdichtete sich. Sie nahm an Schwärze zu, sie fraß das Licht, und Riccas Gebete schafften es nicht, sie zurückzutreiben oder zu vernichten.
    Die Wolke blieb – und kam näher.
    Die alte Frau atmete heftig. Das Licht hatte nicht mehr die Kraft wie zuvor. Es hatte sich verändert, seine Schatten waren stärker geworden und überschwemmten die Gegenstände auf dem Altar. Das Kreuz zog sich zurück, die Madonna verschwand beinahe, und ihr Gesicht bekam plötzlich einen drohenden Ausdruck.
    Das alte Holz lebte. Es bewegte sich. Die Wangen zogen sich in die Breite, um einen neuen Mund entstehen zu lassen. Aber es war ein sehr fremder Mund, keiner, der zu dieser wunderbaren Madonna gepaßt hätte. Dieser Mund war so fremd, grausam und böse.
    Er zitterte.
    Er verzog sich.
    Er war plötzlich zu breit für das Gesicht, aber es hatte einen Sinn, denn plötzlich schnellte die Oberlippe in die Höhe, als hätte jemand daran gezogen.
    Zähne waren zu sehen.
    Schimmernd, bösartig, denn zwei von ihnen stachen wie Messer nach unten. Blutzähne!
    Erinnerung an den weiblichen Vampir, der seine Rückkehr vorbereitete und ebenfalls nichts vergessen hatte.
    Die blutigen Zeiten kehren zurück!
    Dieser eine Satz glich einer schrillen Warnung. Sie tobte durch den Kopf der alten Frau.
    Mit deren Beherrschung war es vorbei.
    Ein Schrei drang aus ihrem Mund. Sie löste die Hände, warf die Arme hoch, als
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