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Gier nach Blut

Gier nach Blut

Titel: Gier nach Blut
Autoren: Jason Dark
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vertraute ihnen voll und ganz.
    Noch etwas kam hinzu.
    Dieses wunderbare kleine Holzkreuz, noch älter als die Madonna. Ein Erbstück, das bereits Riccas Mutter besessen hatte. Es zeigte noch den Lack der ersten Stunde. Nicht nur er fiel auf. Auch die kleinen Perlen, die wie Tränen aus Eis aussahen und das Kreuz an den Seiten nachzeichneten.
    Angeblich sollten es die Tränen der Heiligen sein, aber das gehörte ins Reich der Legende.
    Nichtsdestotrotz liebte die alte Ricca das Kreuz über alles. Sie war auch davon überzeugt, daß es einen mächtigen Schutzwall gegen das Böse bildete. Nie war es für sie wertvoller gewesen als in dieser Zeit. Nie hätte Ricca daran gedacht, daß ihr der Herrgott dieses hohe Alter schenken würde, denn mittlerweile war sie neunzig Jahre alt geworden. Als sie zehn war, hatte man die Sarah Helen Peters begraben, und daran konnte sich Ricca noch sehr gut erinnern.
    Sie war die einzige, die sich daran erinnerte.
    Auf ihrer Bettkante hatte sie Platz genommen und betrachtete den Altar.
    Die Hände lagen in ihrem Schoß. Wie seit Jahren schon trug sie dunkle Kleidung, und sie hatte auch auf die schwarze Mantilla nicht verzichtet, die ihre Schultern bedeckte und den weißen Kragen des Kleides grau schimmern ließ.
    Die Flammen brannten ruhig. Es gab keinen Luftzug, der sie bewegt hätte. An die Decke des Zimmers malten sie Kreise, wobei sich jeweils zwei zu einem Kreis vereinigten.
    Das Licht ließ den Altar noch geheimnisvoller erscheinen, als er es in Wirklichkeit war. Er schimmerte, er schien in der Düsternis des Zimmers zu schweben, und das Licht der Kerzen erreichte auch die hölzerne Betbank vor dem Altar.
    Die schmale Kniefläche war mit Samt bedeckt. Auch ein sehr alter Stoff, und genau dort, wo ein Mensch kniete, war der Samt eingedrückt. Da zeichneten sich die Mulden für die Knie ab.
    Es war ihre Betbank, und die alte Frau würde auch heute wieder vor dem Altar knien. An diesem Tag war das Gebet besonders wichtig. In ihren Träumen hatte sie bereits gespürt, daß sich das Böse bereithielt, um sich auf den Weg zu machen. Es hatte schon Kontakt aufgenommen, denn sie, Ricca Marquez, war die einzige noch überlebende Person aus alter Zeit. Sie kannte den Fluch, und sie hatte ihn nicht vergessen. Jahr für Jahr, Monat für Monat, Tag für Tag hatte sie darauf gewartet, daß die Zeit ablief.
    Jetzt war sie beinahe abgelaufen.
    Nur mehr wenige Tage bis zum Blutfest…
    Ricca Marquez schüttelte sich, als sie daran dachte. Ein Schauer lief über ihre straffe Gesichtshaut. Das Alter hatte Ricca nicht so stark gezeichnet wie andere Menschen, die ihre Jahre erreicht hatten. Ob es eine Gnade Gottes war oder einfach nur daran lag, daß sie in ihrem Leben immer gearbeitet hatte, sie wußte es nicht. Als gläubige Christin tippte sie eher auf die Gnade Gottes. Ja, es war soweit.
    Sie stand auf, faßte die Mantilla an beiden Seiten und streifte sie über den Kopf. Diese Bewegung war der alten Frau in Fleisch und Blut übergegangen. Die jungen Dinger, ihre Enkelin eingeschlossen, konnten damit nichts mehr anfangen. Sie lebten eben in einer anderen Zeit, und Ricca machte ihnen auch keinen Vorwurf.
    Kurz vor der Betbank blieb sie stehen. Das Gesicht der Madonna wurde vom Schein der Kerzen erfaßt. Nichts störte die Schlichtheit ihres Gesichts, nur das Licht glitt darüber hinweg, vereint mit den Schatten.
    Und weil eben das Gesicht so einfach und trotzdem perfekt geschnitzt worden war, bekam es durch das Spiel zwischen Licht und Schatten Leben. Für die alte Frau sah es immer so aus, als würde die kleine Madonna zum Leben erweckt werden.
    Ricca Marquez kniete sich nieder. Sie tat es mit langsamen Bewegungen, und sie war froh, daß sie es geschafft hatte. Seit ihrer Kindheit betete sie auf diese Art und Weise. Was andere Menschen gestört hätte, bekam sie kaum mit. Sie kniete vor ihrem Altar, und sie spürte auch den Druck der Bank nicht. Sie glaubte sogar zu schweben.
    Alles war so wunderbar mühelos für sie.
    Die Madonna stand vor ihr. Ricca konnte sie direkt anschauen, wenn sie den Kopf hob. Auf ihre Lippen, die von den Mundfalten beinahe verdeckt wurden, hatte sich ein Lächeln gelegt. In den dunklen Pupillen spiegelte sich das Licht der Kerzen als gelbrote, feurige Punkte, die auch in einer absoluten Ruhe standen.
    Ricca Marquez faltete die Hände und stützte sich auf der Betbank ab.
    Ihr Blick galt der Madonna und auch dem wunderbaren Kreuz. Die Figur selbst stand auf einem kleinen
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