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Gibraltar

Gibraltar

Titel: Gibraltar
Autoren: Sascha Reh
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manos!« Bernhard wandte sich zu ihr. In seinem Gesicht war nichts zu lesen, absolut nichts. All die Verachtung, die sie jemals dagegen empfunden hatte, bündelte sich jetzt in ihrem Blick; einem einzigen langen, seinen Gegenstand vor Abscheu versengenden Blick. Sie sagte sehr sachlich, als habe er ihr eine höfliche Frage gestellt: »Er sagt, er will unsere Hände sehen.« Dann trat sie entschlossen vor, hob ihre Hände vor den Körper, als wollte sie nicht sich, sondern   etwas   ausliefern, und rief laut: »Mi marido quiere capitular.« –   Mein Mann möchte sich ergeben .

Die Letzten zahlen
    Ein Bild geht um die Welt: Wie eine Studentin gegen das Finanzsystem aufbegehrte – und dadurch eine Ikone der Schuld schuf
    VON HELMUT GUDVANG
    »Ich hatte dieses Bild zu lange im Kopf. Ich musste es loswerden.« Die junge Frau mit der großen Brille und der Wollmütze wirkt unsicher, nestelt immer wieder an dem Piercing in ihrer Wange herum. Das Bild, von dem die Studentin Valerie Brohm spricht, geht seit Tagen durch die Medien und wird in den sozialen Netzwerken tausendfach gepostet. Es zeigt einen blutüberströmten Banker vor Gericht, und der Wirkung des Bildes tut es keinen Abbruch, wenn man weiß, dass es sich lediglich um Kunstblut aus einem Farbbeutel handelt.
    Was dieses Bild in so kurzer Zeit zu einer Ikone der Internetkultur gemacht hat, ist schwer zu erklären. Vielleicht ist es die eigentümliche Haltung des Bankers: Hemd, Jackett und Gesicht besprenkelt von der blutroten Flüssigkeit, den Kopf in wehrloser Demut gesenkt, den Körper zur nach unten führenden Treppe gewendet – dies alles mag dem Bild jene emblematische Aura verleihen, für die die Öffentlichkeit angesichts anhaltender Schuldenkrisen und Bankexzesse gerade besonders empfänglich ist.
    Vielleicht liegen die Gründe für das außergewöhnliche Medienecho auch in den Umständen der Gerichtsverhandlung selbst. Bernhard Milbrandt war Händler bei einer der letzten unabhängigen Privatbanken Europas gewesen. Im Frühjahr hatte er das angesehene Bankhaus Alberts durch massive Fehlspekulationen in den Abgrund gerissen und war mit einem Millionenbetrag untergetaucht, bevor er nach spektakulärer Flucht in Südspanien festgenommen werden konnte. Infolge der horrenden Verluste wurde die zahlungsunfähige Alberts-Bank abgewickelt und danach zum Spielstein eines regelrechten Banken-Monopolys: Die österreichische Privatbank Schallhammer, die Alberts’ Investmentsparte aus der Konkursmasse übernommen hatte, wurde wenig später vom österreichischen Branchenprimus Bank Austria geschluckt, den wiederum die italienische Bankengruppe Unicredit übernahm. Ein hübsches Beispiel für das Sprichwort von den großen Fischen, die die kleinen fressen – oder auch für Schiffeversenken mit Banken.
    Der Verkauf war das Ende der 150-jährigen Tradition des Familienunternehmen Alberts und bedeutete für den Großteil seiner 420 Angestellten den Verlust ihres Arbeitsplatzes.
    Brohms Foto scheint nun den Verantwortlichen zu liefern. Das YouTube-Video ihrer Aktion, die sich im Treppenhaus des Amtsgerichts Charlottenburg ereignete, wurde innerhalb von wenigen Tagen mehr als 100.000-mal geklickt. Dabei lässt die Attacke keinen politischen oder wirtschaftskritischen Hintergrund erkennen. Valerie Brohm ist weder Attac- noch Occupy-Aktivistin, und das Video wurde auch nicht von einem Fernsehteam gedreht, sondern von Brohms Begleiter Thomas Alberts – dem Sohn des verstorbenen Bankiers Johann Alberts.
    Vielleicht führt diese denkwürdige Konstellation zum wahren Grund für die Popularität des Bildes. Denn ebenso wie Alberts handelte auch Valerie Brohm aus persönlich erlebter Betroffenheit und Verantwortung: Sie ist Bernhard Milbrandts Stieftochter.
    Hausbesuch der »Aktionäre«
    Ihre Stimme bebt vor unterdrückter Wut, als sie erzählt, wie Milbrandt nicht nur das Vertrauen seiner Bankkunden, sondern sogar das seiner eigenen Tochter in dreister Weise missbraucht hat. Bei der Unterschlagung des Geldes hatte er sich seine privilegierte Position zunutze gemacht und die Kundenkonten für Zahlungen verwendet, die eigentlich an die Kontrahenten seiner Spekulationsgeschäfte gehen sollten. Auf diesen von seiner Bank zunächst unentdeckten Konten »parkte« er das Geld, bis er es auf ein geheimes Offshore-Konto in Gibraltar transferiert hatte.
    Brohm, die sich seit Jahren in psychiatrischer Behandlung befindet, glaubte zunächst an einen Rückfall, als eines Tages
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