Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gewitter der Liebe

Gewitter der Liebe

Titel: Gewitter der Liebe
Autoren: Sarah Lee Hawkins
Vom Netzwerk:
auch nach Kalifornien zu gehen.« Lillys Augen glänzten vor Aufregung. »Und ich möchte, dass du mitkommst. Oder hast du vor, dein Leben lang in diesem schrecklichen Loch zu hausen?«
    Zunächst entgegnete Julia nichts. Wenn sie scharf nachdachte, würde sie New York, der Fabrik und der kalten Kammer nicht eine einzige Träne nachweinen. Vielleicht war es gar keine so schlechte Idee, sein Glück auf der anderen Seite des Kontinents zu versuchen. Sie und Lilly hatten schließlich nichts zu verlieren. Aber da gab es noch etwas, das das Vorhaben von vornherein zum Scheitern brachte.
    »Wir müssten jahrelang für die Schiffspassage sparen«, bemängelte sie mit kummervoller Miene. »Du hast vorhin die Annonce in Claires Zeitung gesehen – sie verlangen neunzig Dollar!«
    Doch Lilly hatte auch dies bedacht. »Wir können über Land reisen, das dauert zwar länger, ist aber billiger. Claire las von diesem Treck vor, der den alten Oregon-Trail benutzen will, um nach Kalifornien zu kommen. Wenn wir uns beeilen, können wir ihn noch erreichen. Er startet in Independence, Missouri, in wenigen Wochen.«
    Energisch schüttelte Julia den Kopf. »Der Landweg ist zu gefährlich, es geht durch die Prärie und über die Berge. Außerdem würde uns niemand umsonst mitnehmen.«
    Lilly grinste schelmisch. »Ich hab mich bereits erkundigt. Wir müssten nur dreißig Dollar pro Person an den Treckführer zahlen …«
    »… die wir jedoch nicht haben.«
    »Noch nicht, aber dafür habe ich bereits eine Idee. Lass mich nur machen. Wenn wir in Independence angekommen sind, suchen wir uns einen Wagen, der uns mitnimmt. Ich las, dass sich viele Männer ohne Familie anschließen wollen; auch sie hat das Goldfieber erreicht.«
    Julia öffnete den Mund zu einem Einwand, doch Lilly sprach bereits weiter. »Wir könnten unsere Dienste fürs Mitnehmen anbieten … ich meine natürlich hausfrauliche Dienste wie Kochen, Waschen und Flicken. Na, wie hört sich das an?«
    »Zu schön, um wahr zu sein«, musste Julia zugeben, doch sie sah nichts als einen unerreichbaren Traum darin, aus dem Lilly wachgerüttelt werden musste. »Wann ist dir in den Sinn gekommen, nach Kalifornien zu gehen? Du hast vorher nie darüber geredet.«
    »Schon länger, das gebe ich zu. Überall hört man von diesem sagenhaften Kalifornien, sodass ich mir vornahm, dieses exotische Land einmal kennenzulernen. Das da«, Lilly wies auf den Handzettel, »gab den Ausschlag, mich anzuschließen. Aber alleine fehlt mir der Mut, und ich würde dich nur ungern in New York zurücklassen.«
    Julia lehnte sich wieder mit dem Rücken gegen die Wand und sagte mit verträumtem Blick: »Ich hab noch nie etwas anderes als diese Stadt gesehen.«
    »Ich doch auch nicht.« Lilly sprang auf, streifte sich das einfache graue Wollkleid über den Kopf und schlüpfte in ein etwas ansehnlicheres Kleid aus dunkelroter Baumwolle. Sie hatte es sich aus einem günstigen Stoff selbst genäht.
    Erschrocken fuhr Julia hoch. »Wo willst du denn jetzt noch hin?«
    Es war zwar Samstagabend und der nächste Tag frei, aber dennoch verbrachten die Frauen das karge Wochenende meist in ihrer Kammer, denn für sonntägliche Vergnügungen hatten sie kein Geld.
    »Wart’s ab.« Lilly bürstete ihr langes Haar und setzte ihren Sonntagshut auf. »Ich gehe aus, aber mach dir keine Sorgen. Ich habe eine Idee, um an etwas Geld zu kommen, damit wir uns die Postkutsche nach Missouri leisten können.«
    Nun stand auch Julia auf und fasste ihre Freundin am Ärmel. »Ich weiß nicht, was du vorhast, aber es gefällt mir nicht. Ich habe Angst, dass du in schlechte Gesellschaft gerätst.«
    »Das musst du nicht; ich weiß schon, was ich tue. Also leg dich schlafen, ich werde bald zurück sein.« Lilly umarmte sie sanft, griff dann nach ihrer Handtasche und war schon im nächsten Augenblick verschwunden.
    Ratlos blieb Julia mitten im Raum stehen und starrte auf die geschlossene Tür. Wenn sie sich beeilte, würde sie Lilly vielleicht noch einholen, aber sie würde sie nicht aufhalten können.
    Als sie erkannte, dass Lilly nicht zurückkommen würde, ging Julia schließlich zu Bett. Obwohl sie seit den frühen Morgenstunden auf den Beinen gewesen war, konnte sie zunächst keinen Schlaf finden. Ihre Gedanken zogen von der Sorge um Lilly zu diesem märchenhaften Land, in dem jeder gut leben konnte, der die waghalsige Reise auf sich nahm. Und das waren viele! Tag für Tag strömten Abenteurer – nicht nur aus Amerika, sondern aus der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher