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Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung
Autoren: Schubert Stefan
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Mannschaftsaufstellung –
Blue Army Bielefeld
    Mein Vater hatte mich als kleinen Jungen regelmäßig mit auf die Bielefelder Alm genommen, das Fußballstadion DSC Arminia Bielefeld – notorisch erfolglos mit einigen wenigen Höhen und vielen schmerzhaften Tiefen. Der klassische Underdog-Verein einer Stadt, die seit Jahrzehnten verschworen hinter ihrem Club stand. Das war der Verein meines Vaters und es war auch meiner. Als kleiner Junge hatte ich erstaunt das Spiel, die Reaktionen meines Vaters und die seiner Sitznachbarn beobachtet. In seinen Parka gehüllt, aufgebracht das Spielgeschehen kommentierend. Nun setzte ich die Familientradition also fort und ging wieder regelmäßig zur Arminia. Und die spielte zu jener Zeit in der 3. Liga – damals hieß das noch »Amateuroberliga Westfalen«.
    Frank und ich standen meistens im Block 5 und feuerten unsere Arminia an. Mit einem Auge schauten wir aber auch in den Nachbarblock 4. Dort waren nur junge Männer zwischen 20 und 30 Jahren. Einige kannten wir flüchtig aus Kneipen und Diskotheken und es geisterten zu jener Zeit viele Geschichten über diese Männer durch die Stadt – Schlägereien rund um das Stadion und im Bielefelder Nachtleben. Wenn diese Männer eine Kneipe betraten, verstummten die Gespräche der anderen Gäste. Es wurde ihnen Platz gemacht und auch an der vollbesetzten Theke mussten sie nie drängeln, sondern erhielten schnell ihre Getränke. Das waren die Jungs aus Block 4. Die Jungs der Blue Army Bielefeld oder auch OWT genannt. OWT wie Ostwestfalenterror.
    Die Arminia spielte im DFB-Pokal gegen den Erstligisten VfL Bochum. Das war die Liga, in der wir wieder spielen wollten und wo wir unserer Meinung nach auch hingehörten. Es war das Duell des reichen Erstligisten gegen den klaren Außenseiter. Die Arminia hatte nur mittels ihrer Lauf- und Kampfbereitschaft eine Chance, dieses Spiel zu gewinnen. Kampf, das wollten die Leute hier schon immer sehen. Man konnte verlieren, ja sogar absteigen, aber es durfte nie kampflos geschehen.
    Block 4 war an jenem Tag besonders gut gefüllt. Das lag einerseits am DFB-Pokal – für die Blue Army aber stand auch noch das Spiel nach dem Spiel auf dem Programm. Der Gegner: die Bochumer Hooligans, organisiert in der »Bo-City«. Beide Gruppierungen standen sich seit Jahren feindselig gegenüber. Das hatte schon zu größeren Massenschlägereien mit vielen Verletzten bei früheren Aufeinandertreffen geführt. Die Polizei wusste von dem Aggressionspotenzial an diesem Tag und war mit deutlich stärkeren Einheiten im Einsatz als sonst. Die Unruhe im Blue-Army-Block war auch für uns Außenstehende deutlich zu spüren. Die führenden Köpfe der Hooligan-Truppe hatten kaum Zeit, sich um das Spiel der Arminia zu kümmern – sie waren nur damit beschäftigt, die bevorstehende Schlägerei zu organisieren. Ständig gingen die Anführer von einer Gruppe zur anderen, um sich kurz zu unterhalten – und um sich auf den bevorstehenden Kampf vorzubereiten. So zumindest machte es für uns den Anschein. Frank und ich beobachteten mehr das Treiben im Nachbarblock als das Geschehen auf dem Spielfeld. Was machten die da? Was würde nach dem Spiel noch alles passieren? Wir platzten fast vor Neugier, wussten aber auch, dass wir nicht einfach hinübergehen und nach dem Stand der Dinge fragen konnten. Die Informationen gelangten niemals an Fremde, sondern nur an Jungs, die dazugehörten. Und wir standen in Block 5!
    Ein paar von den Blue-Army-Jungs kannten wir vom Sehen. Man nickte sich mal flüchtig zu, aber mehr war da nicht drin. Wir wussten: Eine ordentliche Begrüßung oder gar ein Gespräch mit Mitgliedern des OWT musste man sich erst verdienen. Alles war geregelt – wie in einer militärischen Elite-Einheit. Es gab strenge Hierarchien bei der Blue Army. Und an die musste man sich halten.
    Den Anführer der Blue Army nannten alle nur den »Onkel«. Der Onkel war ein gewaltiger Typ. Mitte zwanzig vielleicht, bestimmt 1,95 Meter groß mit einer kräftigen, bulligen Figur. Er musste wohl schon an Dutzenden von Schlägereien beteiligt gewesen sein. Es kursierten zahlreiche Geschichten über den engsten Kreis der Blue Army. Geschichten über Krawalle bei Länderspielen und großen internationalen Wettbewerben. Vor einem wie dem Onkel hatte man Respekt. Wenn Frank und ich uns die Länderspiele der deutschen Nationalmannschaft im Fernsehen anschauten, konnten wir häufig die Fahne der Blue Army Bielefeld im deutschen Block hängen sehen.
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