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Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung
Autoren: Schubert Stefan
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antworteten wir: »Ja, klar. Ganz schön großer Haufen heute. Da passiert bestimmt noch was.« Wir schauten den Jungs in die Augen. Und da war es wieder. Wie damals in dem Schulbus – dieses Gefühl von Macht. Man hatte Respekt vor uns. Ehrfurcht. Hochachtung!
    In der neunten Minute gab es kein Halten mehr. Die Arminia schoss das 1:0. Nun brachen alle Dämme – die 2000 Bielefelder sangen, tanzten und schrien wie besessen. Der Onkel kletterte auf ein Geländer und gab alte Schlachtlieder vor. Wir waren in Trance. Was für eine Atmosphäre. Was für eine Kraft, was für ein Zusammenhalt. Und das Ganze in Dunkelheit. Unter Flutlicht.
    Ein Rausch, der in der 93. Minute abrupt erstarb. Das Spiel hätte längst zu Ende sein müssen, da erhielt Bochum einen Elfmeter. Wir waren alle total geschockt. Tor. 1:1, Verlängerung. Das war’s. Die Kräfte der Spieler reichten nicht mehr aus. In der Verlängerung verlor die Arminia und musste mit einem 4:1 vom Platz gehen. In unserem Block verwandelten sich Freude und Begeisterung in Wut und Aggression. Wut auf den Schiedsrichter, in der Nachspielzeit einen Elfmeter zu geben. Enttäuschung wegen des unverdienten Ausscheidens im DFB-Pokal. Hass auf die Bochumer. Sie sollten für all das bezahlen müssen.
    Die Polizei versuchte uns noch lange nach dem Spiel im Stadion zu halten, um erst die Bochumer Zuschauer abziehen zu lassen. Doch für diese Maßnahme war das Aggressionspotenzial an diesem Abend viel zu hoch. Niemand wollte sich länger einsperren lassen. Das war zu viel. Wir traten und drückten immer heftiger gegen die Absperrzäune. Auf der anderen Seite des Gitters bezogen Polizeieinheiten mit Helm und Gummiknüppel bewaffnet ihre Positionen. Die Maulkörbe der Polizeihunde wurden entfernt. Und dann gab es kein Halten mehr. Das Tor brach auf und Hunderte Bielefelder drängten auf einen Schlag nach draußen. Die Polizei versuchte, die Zuschauermassen zu lenken und kontrolliert zum Hauptbahnhof zu bewegen. Aber das war unmöglich.
    Marius hatte uns in der Halbzeit erzählt, dass 100 Bochumer mit Unterstützung von anderen Vereinen in den dunklen Nebenstraßen auf uns lauern würden. Diese galt es nun zu finden und sofort anzugreifen. Es herrschte das absolute Chaos. Wir liefen von einer Straßenseite auf die andere. Hin und her. Leuchtkugeln flogen uns um die Köpfe. Feuerwerkskörper explodierten krachend neben unseren Ohren. Bierflaschen und Gläser prasselten nieder – und dazwischen die Polizei, die auf jeden Mann zwischen 18 und 40 einfach nur noch eindrosch. Da es dunkel war, konnte ich kaum noch zwischen Feind und Freund unterscheiden, zumal ich auch noch nicht alle Jungs der Blue Army kannte. In meiner direkten Umgebung kam es zu mehreren Schlägereien. Ein wildes Durcheinander. Für mich viel zu chaotisch und zu hektisch. Und dann war da ja noch die Polizei, die wahllos mit ihren Gummiknüppeln zuschlug. Zu schnell, als dass ich all das richtig hätte einschätzen können.
    Durch den überharten Schlagstockeinsatz gelang es der Polizei langsam, die Kontrolle zurückzuerobern. Wer nicht spurte, bekam den Gummiknüppel übergezogen. Wir wurden gleichsam in den wartenden Zug hineingeprügelt und wie streunende Hunde aus der Stadt verjagt.
    Die Rückfahrt verlief gedämpft. Wir waren furchtbar enttäuscht. Schon wieder hatte uns die Polizei das Spiel vermasselt – und dann auch noch die unverdiente Niederlage gegen Bochum. Ein beschissener Tag. Irgendwie. Und doch waren wir wie berauscht. Diese Stimmung in dem Fan-Block, diese Lautstärke, die Kraft und die Macht, die von dieser Gruppe ausgingen, waren überwältigend. Und Frank und ich waren nun dabei. Bei der Blue Army Bielefeld. Wir waren jetzt ein Teil dieser Armee. Wir waren Hooligans geworden!

4. Anpfiff –
Als Hooligan zur Polizei
    Die deutsche Übersetzung für Hooligan ist Krawallmacher oder Raufbold. Laut Definition treten Hooligans häufig in größeren Gruppen auf und zeigen vor allen im Rahmen größerer Sportereignisse eine erhöhte Gewaltbereitschaft, die sich nicht im alltäglichen Leben widerspiegeln muss. Eine Begriffserklärung, die ich für mich so annehmen konnte. Und gerade weil sich die Gewaltbereitschaft auch in meinem Fall überhaupt nicht in den Alltag geschlichen hatte, hatte ich keine moralischen Bedenken, den Polizeidienst in Betracht zu ziehen.
    Meine Schulzeit ging zu Ende. Ich war 18 Jahre alt und musste eine Entscheidung treffen. Ein Studium hätte ich vergessen können, weil es
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