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Gewalt ist eine Loesung

Gewalt ist eine Loesung

Titel: Gewalt ist eine Loesung
Autoren: Schubert Stefan
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beim Jiu-Jitsu-Kampftraining oder beim Schlagstocktraining in größeren Einheiten, immer wieder gab es dieselben fiktiven Gegner – Autonome oder DDR-Grenztruppen. Wir wurden über die Strukturen der linksradikalen Autonomen unterrichtet und erfuhren alles über Molotowcocktails. Unsere Vorgesetzten bildeten uns taktisch erstklassig aus. Wir lernten, Situationen in Sekundenbruchteilen zu lesen und zu analysieren – eine Fähigkeit, die mir auch bei der Blue Army noch nützen sollte.
    Die Kameradschaft unter den Auszubildenden war einzigartig. Sie wurde geformt durch ständige Strapazen und durch die sogenannte politische Bildung. Einerseits wurden wir permanent körperlich an unsere Grenzen gebracht – durch Nachtmärsche bei strömendem Regen, stundenlange Waldläufe noch vor dem Frühstück und Schießtraining. Wenn wir abends unsere geschundenen Füße versorgten und dabei noch ein kühles Bier tranken, entstand Kameradschaft gleichsam von allein. Alle für einen, einer für alle. Wie bei meinen Kameraden auf der Tribüne.
    Das geistige Klima in unserer Truppe war zeitgemäß. Bei einer simulierten Bundestagswahl in unserem Klassenraum war das Ergebnis eindeutig: Republikaner 50 Prozent, CDU 40 Prozent – SPD und Grüne je 5. Unser Staatskundelehrer war verzweifelt, aber was hätte er ändern können? Unsere Biografien? Unsere Lebenserfahrungen oder die Menschen, die uns geformt hatten?
    Die Ausbildung bereitete mir überhaupt keine Schwierigkeiten. In den mehrstündigen Klausuren schrieb ich nur gute Noten und gehörte mit zwei, drei anderen zusammen zu den Besten meines Jahrgangs. Es wurde weiterhin kräftig ausgesiebt, im Einzelfall wurden einige von uns auch nach einem Jahr noch fristlos rausgeschmissen. Meine Clique blieb davon unberührt und so ließen wir uns alle zusammen für das zweite Dienstjahr nach Lüneburg versetzen. Im Gegensatz zur Landespolizei durften wir schon im zweiten Ausbildungsjahr an realen Einsätzen teilnehmen – unter anderem bei Grenzpatrouillen an der innerdeutschen Grenze in unserem Streifenabschnitt Lüchow-Dannenberg.
    Das letzte Ausbildungsjahr in Walsrode, der sogenannte Laufbahnlehrgang, bestand fast nur aus theoretischem Unterricht. Die Abschlussklausuren in Einsatzrecht, Einsatzlehre, Politische Bildung und Verkehrsrecht dauerten jeweils fünf Stunden und ich beendete die Polizeiausbildung als Klassenbester. Von 1200 Absolventen des Laufbahnlehrgangs erhielt ich das fünftbeste Zeugnis. Nach der Abschlussfeier in der Kaserne zogen meine Polizeiclique und ich in eine Diskothek weiter, das »Amazonas«. Dort hatten wir viele Nächte auf der Suche nach etwas Zerstreuung verbracht. An jenem Abend aber feierten dort nicht nur die einheimischen Dorfschönheiten, sondern auch eine Gruppe holländischer NATO-Soldaten.
    Eine explosive Mischung. Zu viel Testosteron lag in der Luft. Wir ließen uns nicht lange bitten und in kürzester Zeit tobte eine kurze, heftige Schlägerei. Wie so häufig in diesem ewigen Duell – der Punkt ging an Deutschland. Die Schlägerei sprach sich bis zu unseren Vorgesetzten herum. Erstaunlicherweise hatten die jedoch überhaupt kein Problem mit diesem Scharmützel. Sie bläuten uns le-
diglich zwei Dinge ein: »Handeln Sie sich keine Anzeige ein. Ist eine Strafanzeige in der Welt, läuft alles seinen bürokratischen Weg, inklusive Disziplinarverfahren, Strafversetzung, Degradierung bis hin zum Rausschmiss.« Der zweite Rat war noch deutlicher: »Wenn Sie schon glauben, sich prügeln zu müssen, dann gewinnen Sie wenigstens! Sie wollen doch nicht den tadellosen Ruf des Bundesgrenzschutzes beflecken!« Nein, das wollte ich beileibe nicht. Weder im Dienst noch bei der Blue Army.

5. Probetraining –
Ein klassischer Knock - out
    Block 4! Frank und ich waren endlich in Block 4 angekommen – der Heimat der Blue Army Bielefeld. Wir gehörten dazu. Dass ich zwischenzeitlich beruflich die Seiten gewechselt hatte, störte hier niemanden. Bier ist Bier und Schnaps ist Schnaps – diese abgedroschene Redewendung durfte ich tatsächlich selbst erfahren. In den Augen meiner Jungs war ich schließlich nicht der kleine Spießerbulle auf Streife, sondern beim Bundesgrenzschutz. Und der war für die Jungs des OWT weit weg – nicht zu vergleichen mit der Polizei Nordrhein-Westfalen. Und für mich gab es keinen Interessenkonflikt. Im Gegenteil. Die Unterschiede zwischen dem, was ich beruflich und in meiner Freizeit machte, waren erstaunlich gering. Die Feindbilder,
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