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Gesundheit - Eine Frage des Geschlechts

Gesundheit - Eine Frage des Geschlechts

Titel: Gesundheit - Eine Frage des Geschlechts
Autoren: Alexandra Kautzky-Willer , Elisabeth Tschachler
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seltener zum Arzt oder zur Ärztin, sie nehmen auch weniger ärztlich verordnete Medikamente ein und gehen – mit Ausnahme der Darmspiegelung – seltener als Frauen zu Krebs-Früherkennungsuntersuchungen 102 , da sie insgesamt nicht so sehr daran glauben, ihren Gesundheitszustand beeinflussen zu können. Gemäß dem Spruch „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“ beißen sie die Zähne zusammen, wenn es irgendwo zwickt, anstatt medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. „Wenn Männer sich an der Achillessehne verletzen, gehen sie weiter aufs Laufband, weil sie der Meinung sind, der Schmerz gehört zu einem Mann dazu und auch das Weitertrainieren“, weiß Internist Meryn, „und wenn man das nicht macht, ist man ein Schwächling.“
    Dass sie seltener zum Arzt oder zur Ärztin gehen, hat entsprechende Konsequenzen: Begeben sich Männer in eine medizinische Einrichtung, dann in einem Gesundheitszustand, der als ernst bezeichnet werden muss, wie unter anderem eine britische Studie festgestellt hat. 103 Und: Sie landen europaweit öfter im Krankenhaus. 104 Mann sucht eben nur medizinische Hilfe, wenn es gar nicht mehr anders geht. Befragungen in den Wartezimmern haben denn auch ergeben, dass nur 15 Prozent der Männer, die zum Urologen gehen, sich gesund fühlen, aber 71 Prozent der Frauen, die einen Termin bei ihrer Gynäkologin haben. 105
    Auch das Gesundheitswissen der Männer lässt zu wünschen übrig. Während Frauen die Gesundheitsbeilagen in Zeitungen und Zeitschriften lesen, entsprechende Sendungen im Fernsehen verfolgen und sich auch mit ihren Freundinnen und Kolleginnen über solche Themen austauschen, gelten Männer eher als Gesundheitsanalphabeten. Am Stammtisch über Wehwehchen zu sprechen, kommt für sie nicht in Frage. Zudem beschränken sich die Medien, die sich direkt an Männer wenden, oft auf Tipps für den Waschbrettbauch und das wallende Haupthaar. Freilich spielt auch in diesem Bereich die soziale Schicht eine Rolle. So tendieren Männer der Mittelklasse noch eher dazu, Kampagnen etwa für Vorsorgeuntersuchungen wenigstens wahrzunehmen, als die männlichen Vertreter bildungsfernerer Schichten.
    Warum Männer den Gesundheitsbereich lieber den Frauen in der Familie überlassen, dafür hat Ian Banks, langjähriger Präsident des britischen Men’s Health Forum, einfache Erklärungen: „Kleine Jungen werden von weiblichen Verwandten zum Arzt gebracht.“ 106 Im Unterricht wird über Gesundheitsthemen nicht gesprochen, wesentlich mehr Broschüren und Ratgeber richten sich an junge Mädchen als an Jungen, und die meisten Mädchen werden, wenn sie das erste Mal die Regel bekommen, von ihrer Mutter zum Gynäkologen oder zur Gynäkologin mitgenommen. Junge Männer hingegen wissen oft gar nicht, wohin sie sich bei Problemen wenden können, vor allem, wenn es um ihre sexuelle Gesundheit geht. Wenn sie sich dann doch aufraffen, so finden sie die Einrichtungen wenig männerfreundlich. Es gibt kaum männliche Arzthelfer oder Sprechstundenhilfen, und gerade wenn Männer mit Symptomen einer sexuell übertragbaren Krankheit medizinische Hilfe suchen, „sind sie schon von Anfang an in einer peinlichen Situation“, sagt Banks und rückt die Behauptung, Männer würden sich nicht um ihre Gesundheit kümmern, zurecht: „Tatsache ist, dass sie sich sehr wohl Gedanken über ihre Gesundheit machen, aber sich nicht in der Lage fühlen, darüber zu sprechen oder Hilfe zu suchen. Oft erst, wenn es zu spät ist.“
    Zudem scheint auch das Gesundheitspersonal männliche Patienten anders zu behandeln als weibliche. In mehreren Studien wurde festgestellt, dass Männer, obzwar sie weniger risikobewusst sind, in Arztpraxen, Apotheken und vom Krankenpflegepersonal seltener über Gesundheitsrisiken aufgeklärt werden als Frauen. In Großbritannien beispielsweise wurden nur 29 Prozent der urologischen männlichen Patienten von ärztlicher Seite über die Hodenselbstuntersuchung informiert, aber 86 Prozent der gynäkologischen Patientinnen über die Brustselbstuntersuchung. 107
    Trotz allem schätzen Männer selbst ihre Gesundheit insgesamt besser ein als Frauen die ihre, zumindest wenn sie von offizieller Seite danach gefragt werden. So beurteilten bei der Gesundheitsbefragung 2006/2007 78 Prozent der österreichischen Männer, aber nur 73 Prozent der Frauen ihre Gesundheit als zumindest „gut“ 108 , am zufriedensten mit ihrem Gesundheitszustand sind übrigens Männer, die mit einer Partnerin und mit Kindern im selben
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