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Gesundheit - Eine Frage des Geschlechts

Gesundheit - Eine Frage des Geschlechts

Titel: Gesundheit - Eine Frage des Geschlechts
Autoren: Alexandra Kautzky-Willer , Elisabeth Tschachler
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Ernährung bis Wechseljahre, von Geburtsvorbereitung bis Abtreibung – und weiblichen Sexualität zu liefern, aber auch alternative Versorgungsangebote und Zufluchtsstätten für Gewaltopfer zu schaffen.
    Sex und Gender
    Der US-amerikanische Psychiater und Sexualforscher John Money war einer der Ersten, der sich in den 1950er Jahren wissenschaftlich mit Geschlechtsidentität beschäftigte. Er benutzte auch als einer der Ersten das Wort „gender“, das im Englischen ursprünglich das grammatikalische Geschlecht bezeichnete, im Zusammenhang mit den Rollenmustern, d.h. mit dem sozialen Geschlecht, den Verhaltensweisen, die durch die Umwelt und die Erfahrungen geprägt und erlernt, gelebt und weitergegeben werden. 2 Kurz zuvor hatte Simone de Beauvoir es so ausgedrückt, dass man nicht als Frau geboren, sondern dazu gemacht werde. Im Unterschied zu diesen als weiblich – und männlich – definierten Rollen bezeichnet „sex“ im Englischen das biologische Geschlecht, das durch Chromosomen, innere und äußere Geschlechtsorgane und Hormone bestimmt und angeboren ist. Im deutschen Wortschatz gibt es eine Unterscheidung zwischen „gender“ und „sex“ nicht, hier ist von „sozialem“ und „biologischem“ Geschlecht die Rede. Das englische „gender“ für die erworbene Geschlechtsidentität hält aber nach und nach Einzug in den allgemeinen deutschen Sprachgebrauch. Allerdings wird es oft in falschem Zusammenhang verwendet, und selbst bei Fachleuten ist nicht immer klar, ob sie nun das biologische oder das soziale Geschlecht eines Menschen meinen, wenn sie von Gender sprechen. Und tatsächlich beeinflusst das eine das andere, was eine Unterscheidung zuweilen schwierig macht.
    „Gender Mainstreaming“ ist ein Konzept, das darauf abzielt, die Unterschiede, die aufgrund gesellschaftlicher Konventionen bestehen, abzubauen. Gender Mainstreaming – Gleichstellungspolitik und die Berücksichtigung der Geschlechter – ist leise, aber doch mit einiger Wirkung bis in die Regierungsprogramme vorgedrungen und zu einem allgemeinen Bildungsanliegen geworden. In jedem Unternehmen, das etwas auf sich hält, gibt es Gleichbehandlungsbeauftragte, und mit dem Binnen-I ist die Geschlechtersensibilität auch in der Sprache angekommen. „Sprache beeinflusst unser Denken“, gibt die Leiterin des Wiener Frauengesundheitsprogamms Beate Wimmer-Puchinger als Grund für die gendergerechte Sprache an. Die Klinische und Gesundheitspsychologin war in Österreich eine Pionierin der Frauengesundheit und löste schon mit ihren ersten Forschungsarbeiten in den 1970er Jahren heftige Diskussionen aus. „Es macht einen Unterschied aus. Für mich ist das nicht banal und trivial, für mich drückt es etwas aus: Es heißt, das Geschlecht mitzudenken, die Frau mitzudenken.“ 3
    Ähnliche Frauengesundheitszentren sind inzwischen auch in Deutschland und Österreich entstanden, und sie haben es sich zur Aufgabe gemacht, nicht nur die gesundheitliche Lage von Frauen zu verbessern, sondern auch Forschung zu betreiben.
Gesundheit, männlich und weiblich
    Im Licht der Erkenntnisse der Frauengesundheitsforschung begann auch die Weltgesundheitsorganisation WHO in den 1980er Jahren, sich mit den in der Medizin wichtigen Unterschieden zwischen Mann und Frau abseits der Geschlechtsorgane zu beschäftigen. Allerdings brauchte es 16 Jahre bis zur Einrichtung eines eigenen Departments for Gender, Women and Health der WHO. Und es dauerte noch bis 2001, bis die WHO empfahl, in allen Belangen des Gesundheitswesens lokale Strategien für eine geschlechtergerechte Gesundheitsversorgung zu entwickeln und umzusetzen.
    Eine der Vorkämpferinnen und bis heute führenden Expertinnen auf dem Gebiet der geschlechtsspezifischen Medizin ist die US-amerikanische Kardiologin und Medizinwissenschaftlerin Marianne Legato. Schon Ende der 1980er Jahre hatte sie sich mit Herzkrankheiten bei Frauen beschäftigt und war immer öfter auf Besonderheiten im Vergleich zu Männern mit denselben Erkrankungen gestoßen. Immer mehr Fälle entdeckte sie, in denen Frauen nicht nur falsch diagnostiziert, sondern auch falsch behandelt worden waren. „Es schockierte mich, als ich erfahren musste, wie viele Frauen vom Arzt mit der (Fehl-)Diagnose ‚Angstattacke‘ oder ‚hysterischer Anfall‘ wieder weggeschickt wurden, obwohl sie mit ernsten Anzeichen eines Herzinfarkts zur Untersuchung gekommen waren“, schreibt sie in ihrem Buch „Evas Rippe“ 4 . Dieser Schock war sozusagen die
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