Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gesundheit - Eine Frage des Geschlechts

Gesundheit - Eine Frage des Geschlechts

Titel: Gesundheit - Eine Frage des Geschlechts
Autoren: Alexandra Kautzky-Willer , Elisabeth Tschachler
Vom Netzwerk:
Geschlecht. Doch die vermeintlich kraftstrotzenden Männer sind alles andere als nachahmenswert in ihrem Gesundheitsverhalten. Im Gegenteil: Sie nehmen seltener an Vorsorgeuntersuchungen teil, und ihre im Vergleich zu Frauen um rund sechs Jahre kürzere Lebenserwartung ist nur zu einem ganz geringen Teil in der biologischen und genetischen Ausstattung begründet. Männer sind öfter Opfer von Verkehrsunfällen, weil sie Schnellfahren als Beweis von Männlichkeit sehen; sie trinken mehr Alkohol und rauchen öfter und mehr als Frauen – mit den entsprechenden Folgen für ihre Gesundheit. Männer leben aber nicht nur in ihrer Freizeit, sondern auch in der Arbeitswelt gefährlicher: Rund 90 Prozent der tödlichen Arbeitsunfälle haben Männer zum Opfer. Auch sind Männer, das zeigen viele Statistiken und Studien, an einer gesunden Lebensführung und an ihrer eigenen Gesundheit weit weniger interessiert als Frauen.
    Aber auch Besonderheiten, die größtenteils auf biologische Gegebenheiten zurückzuführen sind, werden nach und nach deutlich:
So betrifft der plötzliche Herztod unter Sportlern fast ausschließlich Männer.
Wesentlich mehr Männer als Frauen erkranken an Leukämie. 8
Bei Männern entstehen Darmpolypen – mögliche Vorläufer von Darmkrebs – bedeutend früher als bei Frauen.
Mehr Männer als Frauen sterben an Infektionserkrankungen.
    Auf solche geschlechtsspezifische Gesundheitsprobleme von Männern wurde bisher kaum eingegangen. Denn trotz ihrer Männerzentrierung ist die Medizin auf einigen Gebieten regelrecht geschlechterblind, das zeigt ein weiterer Blick in die medizinische Datenbank PubMed. Dort sind mehr als 30.000 Fachartikel mit dem Stichwort „Women’s Health“ gelistet. Mit dem Stichwort „Men’s Health“ gibt es bloß rund 3000, also ein Zehntel davon. 9 Nach wie vor existieren wenige Einrichtungen, die speziell für Männer bestimmt sind, sieht man von urologischen Abteilungen und Fachpraxen ab, wo es hauptsächlich um Potenzschwierigkeiten geht. Deshalb gibt es seit einigen Jahren auch Forschungsschwerpunkte auf dem Gebiet der Männergesundheit, und die Gender-Medizin rückt vermehrt auch den Mann in ihren Fokus.
Pillen für Männer
    Wenn neue Wirkstoffe auf ihre Wirkung und Sicherheit geprüft werden, geschieht das in großangelegten klinischen Tests mit vielen Hunderten Patienten. Bis vor Kurzem stand der Mann – und hier wiederum vor allem der rund 30-jährige, weiße Mann – bei solchen Arzneimittelstudien im Mittelpunkt, selbst wenn es um Mittel ging, die später auch Frauen helfen sollten. Der Grund dafür ist ebenso simpel wie unlogisch: Seitdem das Schlafmittel Contergan Anfang der 1960er Jahre bei Ungeborenen zu gravierenden Fehlbildungen geführt hat, befürchtet die Pharmaindustrie, dass Kinder geschädigt werden könnten, wenn eine Probandin während einer Medikamentenstudie ungewollt schwanger wird. Das bedeutet, dass bei vielen auf dem Markt befindlichen Arzneimitteln gar nicht bekannt ist, ob sie für Ungeborene potenziell schädlich sind und ob sie bei Frauen überhaupt anders wirken als bei Männern.
    In der ersten großen Vergleichsstudie zum Thema Arzneimittelforschung an Frauen im Jahr 2001 stellte sich heraus, dass nur in einem Viertel der 442 in den vorangegangenen Jahren veröffentlichten Studien überhaupt Frauen miteinbezogen waren. Und inwieweit Frauen anders auf das Medikament reagierten als Männer, wurde gar nur in 14 Prozent dieses Viertels untersucht. 10 Dass eine solche einseitige Forschung Folgen hat, bedarf keiner weiteren Erläuterung. So hat sich erst in der Praxis herausgestellt, dass verschiedene Antibiotika bei Frauen eher Herzrhythmusstörungen auslösen als bei Männern; oder dass Frauen schon auf eine geringere Dosis von Beruhigungsmitteln ansprechen als Männer – unabhängig von ihrem geringeren Körpergewicht.
    Langsam ist hier jedoch eine Änderung im Gange. Sowohl auf EU-Ebene als auch von den Wissenschaftsministerien in Deutschland und Österreich wurden Richtlinien erarbeitet, die vorschreiben, dass der Gender-Aspekt in Forschungsvorhaben zu berücksichtigen ist: auch das ein Bereich der Gender-Medizin.
    Wer geschlechtsspezifische Unterschiede zu seinem Forschungsgegenstand macht, gerät schnell in die Diskussion um politische Korrektheit. Und ebenso schnell kommt der Vorwurf, allein schon die Suche nach solchen Unterschieden beweise eine sexistische Haltung und zementiere gewisse Vorurteile ein, die die jahrhundertelange
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher