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Gesundheit - Eine Frage des Geschlechts

Gesundheit - Eine Frage des Geschlechts

Titel: Gesundheit - Eine Frage des Geschlechts
Autoren: Alexandra Kautzky-Willer , Elisabeth Tschachler
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Diskriminierung der Frauen beförderte. Das Gegenteil ist der Fall. In der Gender-Medizin geht es darum, den Unterschieden auf den Grund zu gehen, um sie in der Vorsorge, dem Erkennen und Behandeln von Krankheiten zu berücksichtigen und damit Frauen wie Männern ein gesünderes Leben zu ermöglichen.

Der Kämpfer und die Kümmerin
    Männer leben zwar kürzer als Frauen und gehen seltener zu Ärztin oder Arzt, aber Frauen erleben weniger Lebensjahre in guter Gesundheit.
    Ab dem Zeitpunkt, da es im Kreißsaal heißt: „Ein Mädchen!“ oder „Ein Junge!“ wird das Kind anders behandelt, auch wenn den Eltern das nicht bewusst ist (oder sie es nicht wahrhaben wollen). So schauen Väter ihre Babysöhne länger an und stimulieren sie mehr, halten ihre kleinen Töchter dafür aber länger im Arm und schmusen ausgiebiger mit ihnen. Mütter hingegen kuscheln länger mit ihren Söhnen. Wie mit den Kindern umgegangen wird, hängt also nicht nur von ihrem eigenen Geschlecht, sondern auch von dem des jeweiligen Elternteils ab. Sind die Kinder größer, neigen Väter eher zu derben Bewegungsspielen und körperlichen Aktivitäten, Mütter haben die Tendenz, die Kinder zu belehren, mit ihnen zu sprechen und ihnen anregendes Spielzeug zu geben. Daraus zieht die Münchner Psychologie-Professorin Doris Bischof-Köhler den Schluss, dass „eine Orientierung auf den gleichgeschlechtlichen Elternteil schon sehr früh, nämlich im zweiten Lebensjahr, manifest wird, wobei dies bei Jungen schon früher und ausgeprägter der Fall zu sein scheint als bei Mädchen“. 88 Die Kinder fangen also an, das Verhalten ihrer Eltern nachzuahmen. Insgesamt werden Knaben sowohl in den industrialisierten Ländern als auch in den Entwicklungsländern weniger von den Eltern kontrolliert und es wird ihnen auch eher gestattet, unbeaufsichtigt außer Haus zu spielen. Gut möglich, dass das zu der höheren Anzahl an schweren Unfällen beiträgt, zumal Jungen insgesamt körperlich aktiver sind und auch mehr gefährliche körperliche Aktivitäten unternehmen als Mädchen. 89 Der unterschiedliche Umgang mit den Kindern hat jedenfalls tiefgreifende Folgen auf deren weiteres Verhalten.
    Mit den Jahren und den Erfahrungen verfestigen sich die als typisch angesehenen Verhaltensweisen von Männern und Frauen. Erstaunlicherweise trifft das auch dort zu, wo Geschlechterstereotype besonders verpönt sind. Das haben die Anthropologen Lionel Tiger und Joseph Shepher in israelischen Kibbuzim festgestellt. Gerade dort, wo Frauen und Männer angehalten sind, sämtliche Arbeiten auszuführen, die in der Gemeinschaft anfallen, haben 70 bis 80 Prozent der Frauen sich der Kinderaufsicht gewidmet, während die Männer sich auf dem Bau, bei Reparaturen in den Haushalten oder in der Landwirtschaft nützlich machten. 90
    Geschlechterstereotypen zeigen sich auch im Gesundheitsverhalten von Männern und Frauen.
Der Mann, das überforderte Wesen
    Auch wenn das klassische Männerbild immer wieder infrage gestellt wird, dazwischen „der neue Mann“ und „der Softie“ auftauchen und von der „Krise der Männlichkeit“ und vom „schwachen Gemächt“ die Rede ist, so tönt – Klischee hin oder her – der Tenor der Gesellschaft immer noch: Männer sitzen an den Schalthebeln der Macht, sie formen die Welt nach ihrem Gutdünken und bekommen dafür auch noch das meiste Geld. „Welch Glück sondergleichen, ein Mannsbild zu sein“, ließ Goethe das Klärchen in seinem Drama „Egmont“ singen. Denn „trommelnd mit hochgeführter Lanze“ die Feinde in die Flucht zu schlagen, das war nicht nur zu Zeiten des Dichterfürsten durchaus erstrebenswert. Eigenschaften wie Risikobereitschaft, Mut, Durchsetzungsvermögen und Kaltschnäuzigkeit sind nach wie vor gleichbedeutend mit Männlichkeit und in der Folge mit einem Herrschaftsanspruch. Ein Mann hat keine Probleme, er macht höchstens welche, sagt ein Bonmot. Zwar hat sich die hierarchische Männerordnung nicht zuletzt durch die 1968er-Revolte gegen Autoritäten aufgeweicht. Doch die Welt ist in vielerlei Hinsicht immer noch androzentrisch, wie die Wissenschaft das nennt: auf den Mann als Mittelpunkt des Geschehens bezogen.
    In extremer Form wird daraus der alles beherrschende und unterdrückende Macho, der sich in seiner Rolle auch noch gefällt. Allerdings, stellt der Schweizer Soziologieprofessor Walter Hollstein fest, bedeute Männlichkeit, wie sie traditionellerweise verstanden wird und heute noch gilt, auch „generell eine
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