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Gesundheit - Eine Frage des Geschlechts

Gesundheit - Eine Frage des Geschlechts

Titel: Gesundheit - Eine Frage des Geschlechts
Autoren: Alexandra Kautzky-Willer , Elisabeth Tschachler
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häufigste zur Schwangerschaftsverhütung verwendete Methode, in Österreich regelt die Fristen- und in Deutschland die Indikationslösung den legalisierten Schwangerschaftsabbruch. Doch ideologische Diskussionen um das Thema Abtreibung flackern immer wieder auf, und sei es nur, wenn Gesundheitsminister sich dafür einsetzen, dass öffentliche Krankenhäuser Abbrüche durchführen. „Der Frauenkörper ist nach wie vor Projektionsfläche – für ökonomische Interessen, Ideologien oder parteipolitische Machtspielchen“, sagt Wimmer-Puchinger. „In der Medizin wird der weibliche Körper überhaupt erst seit Kurzem auch in anderen als im gynäkologischen Bereich berücksichtigt. Über Jahrhunderte galt der Mann als Maß aller Dinge.“ (siehe auch „Ungleich besser“ ).
Opferbereite Frauen
    Auch die weibliche Lebensrealität fand – und findet in manchen Bereichen bis heute – in der Medizin kaum Beachtung. Die klassische Rollenteilung in der Familie: der Mann als Ernährer, die Frau als Hüterin von Heim, Herd und Kindern existiert kaum noch. Laut Statistik Austria ist die Erwerbsquote der 15- bis 64-jährigen Frauen innerhalb der letzten zehn Jahre von 61,8 Prozent auf 69,3 Prozent angestiegen. 113 Doch, wie es trocken im letzten „Frauenbericht“ heißt: „Niedrige berufliche Stellungen werden häufiger Frauen zugewiesen, höhere Positionen werden hingegen von Männern dominiert.“ 114 Vor allem Alleinerzieherinnen sind in einkommensträchtigen Jobs selten anzutreffen. Das bedeutet im Klartext: weniger Einkommen, weniger Aufstiegschancen, weniger soziales Ansehen, zumal Frauen vielfach in prekären Arbeitsverhältnissen und atypischen Beschäftigungsformen, in Zeit- oder Leiharbeit zu finden sind. Damit wird die berufsbedingte Belastung nicht geringer, im Gegenteil, denn von Sonderformen der Arbeitszeit, etwa zum Wochenende, in den Abend- und Nachtstunden oder auch bei Turnus- und Schichtdiensten sind Frauen in weitgehend gleichem Ausmaß betroffen wie Männer.
    Und das, obwohl sie zusätzlich immer noch den Großteil der unbezahlten Arbeit verrichten. Denn berufstätig zu sein bedeutet für Frauen noch lange nicht, dass sie nicht auch für Heim, Herd und Kinder zuständig wären. Vor allem für die Kinder. Von dem Angebot, in den ersten beiden Lebensjahren des Nachwuchses Elternkarenz zu beanspruchen, machen in 98,2 Prozent der Fälle die Mütter Gebrauch. 115 Während Frauen, die Kinder bekommen, ihre Arbeitszeit außer Haus reduzieren, setzt bei Männern das umgekehrte Phänomen ein: Sie machen mehr Überstunden. Doch die eingeschränkte Erwerbstätigkeit über längere Zeit bedeutet in der Folge eine deutliche Schlechterstellung nicht nur auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch, was die soziale Sicherung, vor allem im Alter, anlangt. Dazu kommt: Auch wenn die Frau einen Fulltimejob hat, ist ihr Verdienst aufgrund der grundsätzlich bestehenden Einkommensunterschiede meist geringer als der ihres Partners. Zwischen dem Einkommen, der Pension und dem Arbeitslosengeld von Frauen und Männern klafft immer noch eine deutliche Differenz, mit ein Grund, warum Österreich im „Global Gender Gap Report“ des Weltwirtschaftsforums von 134 Ländern auf Platz 37 gereiht ist, noch hinter Trinidad, Namibia oder Uganda. Deutschland hat es immerhin auf Platz 13 geschafft, ist aber, ebenso wie Österreich, in den letzten fünf Jahren zurückgefallen. 116 Diese Ungleichheit erzeugt Stress und ist für Herz-Kreislauf-Erkrankungen ebenso verantwortlich wie für Schlaganfälle und Fettleibigkeit, konstatieren die britischen Medizinwissenschaftler Richard Wilkinson und Kate Prickett. 117
    Auch die Doppel- und Dreifachbelastung von Frauen, die sich zwischen Beruf, Kindern, Haushalt und oft auch noch betreuungsbedürftigen Eltern hin und hergerissen und aufgerieben fühlen, fordert ihren gesundheitlichen Tribut. Die Belastung äußert sich nicht selten in psychischen Erschöpfungssymptomen. So wurden im Jahr 2009 zwei Drittel der aufgrund von psychiatrischen Erkrankungen notwendig gewordenen Krankenstandstage von Frauen in Anspruch genommen. 118 Stress, Burnout, Depressionen waren bei Frauen die häufigste Ursache für Frühpensionen. Allerdings neigen Ärzte und Ärztinnen dazu, bei Frauen, die sich nicht wohl fühlen, eher psychische Störungen zu diagnostizieren als bei Männern, wo häufiger nach einer organischen Ursache geforscht wird. Die logische Konsequenz ist, dass Frauen auch den bei weitem höheren Anteil an
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