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Geständnis

Titel: Geständnis
Autoren: bernd
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Straßen des Stadtzentrums führ, konnte
er kaum glauben, dass Slone noch vor kurzem von der Nationalgarde
besetzt gewesen war.
    Die Feier begann gegen fünf, und da es an die zwanzig Grad
warm war, versammelten sich alle am Pool, wo Robbie eigens für
diesen Anlass gemietete Tische und Stühle aufgestellt hatte. Seine
gesamte Kanzlei war anwesend, einschließlich Ehepartnern und
Lebensgefährten. Richter Henry und seine Frau trafen schon
frühzeitig ein. Der gesamte Drumm-Clan - mindestens zwanzig an der
Zahl, Kleinkinder mitgezählt - erschien gleichzeitig.
    Reith setzte sich neben Roberta. Obwohl er bei Dontes Tod mit
ihr in derselben Zeugenkammer gewesen war, kannten sie einander
eigentlich gar nicht. Worüber sollte man reden? Zuerst war die
Unterhaltung mühsam, aber bald sprachen sie über Robertas
Enkelkinder. Sie lächelte oft, obwohl sie mit ihren Gedanken
offenkundig woanders war. Zwei Wochen nach Dontes Tod war die
Familie noch in Trauer, aber sie gab sich große Mühe, den
Augenblick zu genießen. Robbie brachte einen Toast aus, eine
weitschweifige Lobrede auf die Freundschaft und ein kurzes Gedenken
an Donte. Er bedankte sich bei Reith und Dana dafür, dass sie den
weiten Weg von Kansas auf sich genommen hatten, was mit gedämpftem
Beifall bedacht wurde. Für die Drumms war Reiths verrückte
Spritztour in den Süden, sein Versuch, die Hinrichtung aufzuhalten,
bereits legendär. Als sich Robbie schließlich wieder setzte, erhob
sich Richter Henry und klopfte gegen sein Weinglas. Er brachte
einen Toast auf den Mut aus, den Roberta und ihre Familie bewiesen
hatten, und endete mit den Worten, aus jeder Tragödie entstehe auch
Gutes. Als die Reden vorüber waren, servierte das
Cateringunternehmen dicke Sirloin-Steaks mit viel Pilzsoße und so
vielen Beilagen, dass sie unmöglich auf einen Teller passten. Es
wurde bis spät in die Nacht hinein gegessen, und während Roberta
nur Tee trank, genossen die anderen Erwachsenen den guten Wein, den
Robbie zu dem Anlass gekauft hatte.
    Reith und Dana schliefen im Gästezimmer und brachen früh am
nächsten Morgen auf, um in einem Cafe in der Main Street zu
frühstücken, das für seine Nusswaffeln bekannt war. Dann führen sie
weiter. Robbies Beschreibung folgend, gelangten sie zum Greenwood
Cemetery, der hinter einer Kirche am Stadtrand lag.
    „ Das Grab ist leicht zu finden“, hatte Robbie gesagt. „Folgen
Sie einfach dem Weg, bis Sie frische Erde sehen.“ Der Weg war ein
Trampelpfad im Gras. Vor ihnen stand eine Gruppe von etwa zehn
Besuchern um das Grab, die sich an den Händen hielten und beteten.
Reith und Dana gaben vor, nach einem anderen Grabstein Ausschau zu
halten, bis sie gegangen waren.
    Dontes Grab bestand aus einem ordentlichen Hügel roter Erde,
der von Dutzenden von Blumensträußen eingefasst wurde. Die
Inschrift auf seinem Grabstein lautete: „Donte Lamar Drumm, geboren
am 2. September 1980. Widerrechtlich hingerichtet durch den Staat
Texas am 8. November 2007. Hier ruht ein UNSCHULDIGER.“ Mitten auf
dem Stein war ein zwanzig mal fünfundzwanzig Zentimeter großes
Farbfoto von Donte mit Schulterpolstern und im blauen Trikot
eingraviert - in voller Ausrüstung und spielbereit. Reith kniete
neben dem Grabstein nieder, schloss die Augen und betete lange.
Dana sah zu. Ihre Empfindungen waren gemischt: Sie war bekümmert
wegen dieses tragischen Todes, fühlte mit ihrem Mann mit und fragte
sich zunehmend verwirrt, was sie hier taten.
    Bevor sie aufbrachen, fotografierte Reith das Grab. Er wollte
eine Erinnerung, etwas, das er sich auf den Schreibtisch stellen
konnte.
    Der Besprechungsraum im Bahnhof war unverändert. Robbie und
Carlos schufteten auch am Samstagmorgen, zwischen Akten und
Papierstapeln waren Kaffeebecher aus Plastik und leere
Gebäckverpackungen verstreut. Robbie führte Dana überall herum und
tischte ihr eine weitschweifige Geschichte auf, die Reith bei
seinem ersten Besuch erspart geblieben war.
    Als sie sich tief in den Wäldern von Roop's Mountain
verabschiedet hatten, hatte keiner von beiden gewusst, ob sie sich
je wiedersehen würden. Als sie sich jetzt, zwei Wochen später,
umarmten, taten sie es in der Überzeugung, dass es nicht ihre
letzte Begegnung sein würde. Robbie dankte Reith erneut für seinen
heldenhaften Einsatz. Reith wies das zurück und meinte, Robbie sei
der wahre Held. Beide waren sich darüber einig, dass sie nicht
genug getan hatten, obwohl sie wussten, dass sie alles getan
hatten, was in ihrer Macht stand.
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