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Gestaendnis im Orchideengarten

Gestaendnis im Orchideengarten

Titel: Gestaendnis im Orchideengarten
Autoren: Nina Harrington
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diesem großen Apartment waren die geblümten Bezüge in ihrem Schlafzimmer und die alten gerahmten Karten und Skizzen an der Wand im Flur. Alles andere war aufgesetzt und fremdbestimmt …
    Sara schoss hoch und schlug sich mit der flachen Hand mehrmals gegen die Stirn.
    Aber natürlich! Die alten Entwürfe und Baupläne für Kingsmede Manor hingen im Flur ihrer Mutter, sorgfältig und teuer gerahmt wie Kunstwerke.
    Darunter war garantiert auch der Plan für die Gartenanlage. Es bestand kein Zweifel. Möglicherweise hatte sie ein paar Entwürfe verkauft, aber die Wahrscheinlichkeit war groß, dass sie dort fand, was sie suchte. Allein der Name des Landschaftsarchitekten nötigte Kennern große Ehrfurcht ab, darin sonnte sich ihre Mutter nur allzu gern. Sie hatte die Pläne bestimmt behalten, um bei ihren Freunden und Bekannten damit anzugeben.
    Sara sah auf die Uhr.
    Ihr blieben genau fünf Stunden, um zuerst die Orchideen auszufahren, dann mit der elektrischen Mizzi nach London zu tuckern, ihre Mutter aufzusuchen und zu überzeugen, dass sie ihr die Entwürfe aushändigte, dann zurückzufahren und Leo die Pläne zu zeigen, bevor er beim Mittagessen der Familie seine Vorschläge unterbreitete.
    Sie hatte schon zum Hörer gegriffen, als sie spürte, wie Angst und Aufregung in ihr hochkrochen. Sie hielt inne.
    Was tat sie hier eigentlich?
    Leo war an den Entwürfen überhaupt nicht interessiert, er hatte seine Entscheidung längst getroffen. Er wollte nur seinen Großvater beeindrucken und beweisen, dass er ein knallharter Geschäftsmann und Profi war. Um seine Mutter zu rächen.
    Wenn sie nun auf einmal in dieses Meeting hineinplatzte, würde sie ihn in große Verlegenheit bringen. Wie sie sich kannte, würde sie genau den Moment erwischen, wenn sie sich alle in den Armen lagen und mit Tränen in den Augen den verlorenen Sohn, in dem Fall: Enkel, wieder in den Schoß der Familie aufnahmen. Wegen der absolut unbestechlichen Objektivität seiner professionellen Methoden.
    Und sich selbst würde sie ebenfalls blamieren.
    Aber welche Wahl hatte sie? Die Alternative war, hier sitzen zu bleiben und auf die Katastrophe zu warten; einfach nichts zu tun, bis die Planierraupen anrückten und alles platt walzten. Dann wollte sie lieber die letzte Chance nutzen und die Rizzis dazu bewegen, ihre Pläne zu ändern, bevor es zu spät war.
    Außerdem hatte sie noch ein Hühnchen mit Leo zu rupfen.
    Die Auseinandersetzung gestern Abend war nicht rückgängig zu machen, und beide hatten Dinge gesagt, die sie später bereuten. Das tat ihr einerseits leid, andererseits war es nicht in Ordnung, was Leo getan hatte. Sie konnte verstehen, dass er sein Versprechen der Tante gegenüber nicht brechen wollte, aber dass er ihr die ganze Zeit hinterherspioniert hatte, tat dennoch sehr weh.
    Sein Interesse an Architekturskizzen und Entwürfen schien allerdings aufrichtig, und sie glaubte ihm auch, dass er die Pläne für den Gartenbau wirklich aufregend fand.
    Er würde also noch einmal eine Chance bekommen, die Sache wiedergutzumachen und zu zeigen, wer er wirklich war. Nämlich ein sehr talentierter, selbstbewusster, eigenwilliger Typ und nicht bloß ein mattes Abbild seines Großvaters.
    Oje, sie hatte gut reden! Dabei hatte sie doch selbst genug Schwierigkeiten, aus dem Schatten der Vergangenheit herauszutreten und ihre familiären Verstrickungen zu lösen.
    Kopf hoch, Schultern zurück und an die Arbeit. Sie holte tief Luft und wählte dann die Nummer ihrer Mutter. Der Anruf war längst überfällig.
    „Hallo Mom, oh, hab ich dich geweckt?“
    Sie warf einen Blick zur Wanduhr und sah, dass es erst kurz nach sieben war.
    „Ja, ja, mir geht’s gut, tut mir leid, dass ich so früh anrufe, ich bin ja schon zurück von meiner ersten Lieferfahrt heute. Ich mach’s auch ganz kurz …“ Sie räusperte sich. „Bist du heute Morgen zu Hause? Ich würde gern vorbeikommen, um etwas mit dir zu besprechen. Ich brauche dringend deine Hilfe, Mom.“
    Leo lockerte die Schultern und sah hinüber zu seiner Tante, die ihn freundlich anlächelte, während sein Großvater einen explizit desinteressierten Blick aufsetzte.
    Paolo Leonardo Rizzi war ein ernster, schweigsamer, stämmiger Typ mit kurz geschorenen grauen Haaren und einer Vorliebe für feinen Zwirn. Noch in hohem Alter hielt er die Fäden des Familienunternehmens fest in seiner Hand. Allerdings rutschte er im Augenblick etwas unbehaglich auf dem luxuriösen Sofa in Arabellas Suite hin und her, um
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