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Gestaendnis im Orchideengarten

Gestaendnis im Orchideengarten

Titel: Gestaendnis im Orchideengarten
Autoren: Nina Harrington
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Arbeit, meinte er.
    Zumindest solange sie überhaupt noch Arbeit hatte. Ein mittelgroßes Gewächshaus reichte nicht, um die Blumenhändler und Hotels das ganze Jahr über zu beliefern. Und die Aussicht auf ein riesiges Wellness-Center gleich neben dem Orchideenhaus, das den Pflanzen Licht und Luft nehmen würde, machte die Sache nicht besser. Ganz zu schweigen von der trüben Aussicht auf karge Steinwände, die sie von da an vom Küchenfenster aus haben würde.
    Sie richtete sich wieder auf, holte tief Luft und lehnte sich in ihren Sessel zurück.
    Ach Leo . Im Augenblick frühstückte er wahrscheinlich gerade auf seinem Zimmer und feilte an seiner Präsentation, die in wenigen Stunden den Großvater vom Hocker hauen sollte, um auf ewig zu bereuen, dass er seine Mutter und ihn einst im Stich gelassen hatte.
    Es war erst wenige Stunden her, als sie ihn zuletzt gesehen hatte, doch sie vermisste ihn schrecklich, spürte den Verlust fast körperlich.
    Die ganze Nacht lang hatte sie gehofft und gewartet, ob er vielleicht an ihre Tür klopfen würde, um sie zu bitten, ihm noch eine Chance zu geben.
    Dummes Kind, auch das war nur eine Form der Selbstbestrafung!
    Ihr Herz krampfte zusammen, als ihr eine ihrer Lieblingsfantasien in den Sinn kam: Leo nackt bis auf Boxershorts mit seinen langen Beinen und dem muskulösen Oberkörper, im Hotelzimmer nachdenklich auf und ab gehend wie ein unruhiger, aber mutiger Löwe, der ja auch in seinem Namen steckte. Ein stolzer, vor Kraft strotzender Mann, der alles unter Kontrolle hatte.
    Ein kurzer Fußweg hinüber zum Hotel, und in wenigen Minuten wäre sie bei ihm gewesen, hätte sich in seine Arme werfen können.
    Doch sie hatte wieder einmal denselben Fehler gemacht, hatte einem anderen die Verantwortung für ihr Leben übertragen und war in die stets gleiche Falle getappt. Sie hatte ihr Herz verschenkt und jemandem vertraut, der sie später im Stich ließ. Und nun war sie am Boden zerstört, während der andere einfach wegging und ihre Hoffnungen und Träume gleich mitnahm.
    Wie ihr Vater damals. Und ihr Exfreund. Und jetzt eben Leo Grainger.
    Was die Sache noch schlimmer machte, war, dass Leo in vielen Dingen recht hatte. Während der schlaflosen Nacht hatte sie über vieles nachgedacht und erkannt, dass Leos Einschätzungen stimmten. Das machte sie wütend.
    Es war immer ihre eigenen Entscheidung gewesen, die Macht über sie auf andere zu übertragen, in der vergeblichen Hoffnung, von ihnen dafür akzeptiert und geliebt zu werden.
    Stets hatte sie alles getan, alles dafür gegeben, um die Erwartungen der anderen zu erfüllen, und am Ende war es doch nie genug gewesen. Diese Erkenntnis kam leider viel zu spät, sie hatte ihre Großmutter im Stich gelassen und konnte ihrer Mutter nie verzeihen, dass es so weit gekommen war.
    Sara blinzelte mehrmals, um die Müdigkeit zu verscheuchen und ihre Tränen wegzudrücken. Der Zeitungsausschnitt mit ihrem Foto an der Wand erschien ihr plötzlich wie ein schlechter Witz. Unternehmerin des Jahres? Wer’s glaubt, wird selig.
    Sie war nichts als ein dummes kleines Mädchen, das unbedingt beweisen wollte, dass es im Recht war, indem es stur darauf beharrte, in seiner kleinen Welt zu bleiben. Das war schon damals so, als sie aus London flüchtete, anstatt sich einfach einen neuen Job zu suchen. Sie hatte zwei lukrative Angebote ausgeschlagen, eines davon hätte ihr sogar ermöglicht, in die Karibik zu ziehen und es sich in der Sonne bequem zu machen. Ihre Mutter hatte ihr nach Grandmas Beerdigung vorgeschlagen, mit nach London zu kommen und bei ihr zu wohnen, um sich wieder zu versöhnen. In der großen Wohnung in Pimlico wäre das sicher möglich gewesen. Doch sie hatte abgelehnt.
    Beim Gedanken an ihre Mutter schüttelte sie resigniert den Kopf. Nein, sie hätte es nicht ertragen mit ihr in diesem schicken, sterilen weißen Apartment zu leben, in dem kaum Möbel standen und im Backofen noch die Gebrauchsanleitung lag, weil ihre Mutter ihn nie benutzte. Ihre Küche war eine echte Vorzeige-Küche, alles war da, um bestaunt und bewundert, nicht um benutzt oder gar durch Essen beschmutzt zu werden. Toastkrümel auf der Granitarbeitsfläche waren undenkbar und wurden mit sofortiger Eliminierung unter Einsatz von haufenweise Küchentüchern bestraft.
    Auch die vielen Bilder und Skulpturen in ihrer Wohnung hatte sie nicht gekauft, weil sie ihr gefielen oder am Herzen lagen, sondern weil sie eine lukrative Investition darstellten. Das einzig echte in
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