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Gestaendnis im Orchideengarten

Gestaendnis im Orchideengarten

Titel: Gestaendnis im Orchideengarten
Autoren: Nina Harrington
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eine würdevolle Position einzunehmen.
    Es war die Idee seiner Tante, sich in ihrem Hotelzimmer zu treffen, ganz privat und nur zu dritt, um nicht finster um einen großen Konferenztisch herumzusitzen, wenn man sich nach so vielen Jahren zum ersten Mal wiederbegegnete.
    Bisher war es ganz gut gelaufen.
    Trotzdem fiel es Leo nicht leicht, diesem Mann, den er das letzte Mal auf der Beerdigung seiner Eltern gesehen hatte, gegenüberzusitzen. Sehr verhalten hatten sie sich die Hände geschüttelt, als ob der Großvater es unter seiner Würde als Familienoberhaupt fand, Leo auf diese Weise Anerkennung zu zollen. Selbstverständlich hatte er das Familienerbstück, den Diamantring an Leos Finger, sofort bemerkt, doch sein Stolz gebot ihm, nur einen kurzen Blick darauf zu werfen und kein Wort darüber zu verlieren. Dann hatte er Leo mit schmalen Augen fixiert.
    Falls dies ein Versuch war, mich einzuschüchtern, hat es nicht funktioniert, dachte Leo. Ganz und gar nicht.
    Noch vor einer Woche wäre er wegen dieser Kleinigkeit ausgerastet. Doch nun konnte er die Geste als das deuten, was sie eigentlich war: Sie drückte die Meinung seines Großvaters aus, sonst nichts. Er war nicht mehr angewiesen auf die Gunst von Paolo Rizzi, obwohl er gern seine Anerkennung bekommen hätte. Doch das war ein großer Unterschied.
    Seine Tante hatte ihn gebeten, eine professionelle Einschätzung zu liefern, und genau das würde er nun tun.
    Er atmete tief durch, weil er wusste, dass er vor einem strengen Publikum sprechen musste. Doch daran war er gewöhnt.
    Sie mussten ja nicht erfahren, dass er die halbe Nacht über neuen Vorschlägen gesessen und die Präsentation vollkommen überarbeitet hatte.
    Sara hatte recht.
    Ihr Vorwurf, er sei skrupellos, hatte ihn ins Mark getroffen. Er fand keinen Schlaf, wälzte sich hin und her, schließlich stand er wieder auf, um die Empfehlungen zu überarbeiten, die er nun seiner Tante und dem Großvater unterbreiten wollte.
    Sara hatte erkannt, dass er langsam, aber sicher genauso wurde wie sein Großvater, obwohl er das immer abstritt. Einseitig, rücksichtslos und erfolgsgeil, ohne Mitgefühl für andere, ohne Liebe und Anteilnahme. Das hatte ihn zutiefst schockiert.
    Er war darüber so bestürzt, dass er sich schwor, am nächsten Tag zu beweisen, dass er vor allem der Sohn seines Vaters war, nicht bloß der Enkel von Paolo Rizzi.
    Und nun kam die Stunde der Wahrheit. Nun würde sich zeigen, ob sich die ganze Mühe gelohnt hatte und die Vorschläge von der Familie angenommen wurden.
    Von seiner Familie. Tante Arabella sah seiner Mutter tatsächlich ein bisschen ähnlich, aber sein Großvater? Und doch, es war alles da: die graublauen Augen, die einst sehr ansehnlichen Gesichtszüge, die breiten Schultern, das sichere Auftreten – es gab Leo einen Vorgeschmack auf das, was ihn eines Tages erwarten würde.
    In seinem Großvater konnte er auch erkennen, woher die Schönheit seiner Mutter rührte, und wahrscheinlich auch ihre Eigenwilligkeit und Entschlossenheit, den eigenen Weg im Leben zu finden. Er war stolz auf sie, weil sie diesem herrschsüchtigen Mann gezeigt hatte, wo seine Grenzen waren.
    Und er war stolz auf Sara, weil auch sie den Mut hatte, ihm die Stirn zu bieten.
    Vielleicht nahm er deshalb alles sehr gelassen, lehnte sich entspannt zurück in die Kissen und wirkte, als wäre er nur zum Kaffeetrinken vorbeigekommen. Sein Großvater sah ihn entsprechend streng an, doch seine Tante wirkte entspannt und bot ihm Kaffee an, bevor sie den offiziellen Teil des Treffens einleitete.
    „Ich bin so erleichtert, dass Leo es tatsächlich möglich machte, sich ein paar Tage freizunehmen, um sich die Sache hier in Kingsmede Manor genau anzuschauen. Seine professionelle Meinung ist mir sehr wichtig. Wir dürfen also gespannt sein, was er uns vorschlagen wird. Also bitte, Leo. Du hast das Wort.“
    „Danke, Tante Arabella. Es war mir ein Vergnügen. Kingsmede Manor ist ein wirklich prachtvolles Anwesen mit enormem Entwicklungspotenzial.“
    Er nahm zwei Kopien aus der Mappe auf dem Couchtisch und reichte sie herum. Während seine Tante kleine, überraschte Gluckslaute ausstieß, die durchaus zustimmend klangen, blieb sein Großvater ungerührt und stumm sitzen.
    „Die Details sind hier in einem Ordner zusammengefasst, die könnt ihr euch später in Ruhe ansehen. Ich mache es kurz. Die Wellnessanlage ist eine großartige Idee, doch das derzeitige Konzept erscheint mir zu modern. Nach meinem mehrtägigen
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